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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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dann eine Kerze anzündete. Es war ein armseliger kleiner Raum, in dem sie sich befanden - mit Lehmwänden an drei Seiten und einer dicken Holztür in der vierten gemauerten Wand. An der einen Seite stand ein primitiv zusammengefügter hölzerner Schrank, dessen Tür schief an zwei Lederschlaufen hing und ihnen seinen Inhalt präsentierte: ein paar Gläser mit eingemachten Früchten und ein paar zur Hälfte heruntergebrannte Kerzen. Abgesehen von ein paar Pflanzen, die versuchten, im spärlichen Licht an den Wänden eine kümmerliche Existenz zu fristen, war der Raum kahl - und kalt.
    »Lassen Sie mich das mal anschauen«, sagte Tynan mit kalter Stimme und verkniffenem Gesicht.
    Chris wich seinen Händen aus, die nach ihr greifen wollten. »Fassen sie mich nicht an. Mir fehlt nicht das geringste. Meinetwegen brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
    Ty setzte sich auf die Fersen zurück. »Wir werden viel besser fahren, wenn wir Zusammenarbeiten. Wenn Sie mich bekämpfen, werden wir nicht weit kommen.«
    »Nicht zu meinem Vater kommen, wollten Sie vermutlich sagen, damit Sie Ihr Geld kassieren können, nicht wahr? Vielleicht läßt Dysan Sie jetzt wieder frei, nachdem Sie ihm gesagt haben, wer ich wirklich bin. Vielleicht können Sie sich das Lösegeld sogar mit ihm teilen.«
    »So etwas Undankbares habe ich doch in meinem ganzen Leben noch nicht...! Ich sollte Sie wirklich hier allein lassen und...«
    »Bitte, dort ist die Tür!«
    Tynan öffnete den Mund, um etwas darauf zu erwidern, und klappte ihn dann wieder zu. Er stand auf, ging zur Tür und untersuchte sie genauer.
    »Sie haben sich inzwischen schon wieder neue Kleider besorgt«, sagte Chris nach einer Weile. Tynan gab ihr keine Antwort, sondern fuhr fort, die Tür zu betrachten.
    Chris versuchte, sich auf die Beine hochzurappeln, und benützte die Wand als Stütze. »Ich vermute, daß Sie Pilar vorher in Sicherheit gebracht haben.«
    »Wären Sie in Ihrem Zimmer geblieben, wären Sie jetzt auch in Sicherheit.«
    »Er wußte doch, wann Sie sich im Haus befanden. Wie kommen Sie also auf den Gedanken, er hätte nicht gewußt, wann Sie sich in dem Zimmer im dritten Stock aufhielten?«
    Ty blickte nicht zu ihr hin, sondern untersuchte nun die Wände des Raumes genauer, dann die Decke, die immer feucht zu sein schien, und den Boden, der aus gestampftem Lehm bestand.
    »Dysan behauptete, er habe hundert Männer ausgeschickt, die jeden daran hindern sollten, uns zu finden. Wie ist es Ihnen denn gelungen, hierherzukommen?«
    »Das Geld Ihres Vaters war ein mächtiges Lockmittel. Es hat mich durch Wolken aus Gewehrkugeln getragen.«
    Chris lehnte sich gegen die feuchte Wand und bewegte ihre schmerzenden Knöchel. »Schön, vielleicht war ich ein wenig grob zu Ihnen, und ich entschuldige mich dafür. Ich danke Ihnen, daß Sie versucht haben, mich zu retten, und es tut mir leid, daß ich schuld bin an Ihrem... daß ich schuld bin an allem, was uns widerfahren ist und wird.«
    Er drehte ihr das Gesicht zu. »Ich glaube, die Erwähnung, daß Sie Mathisons Tochter sind, wird ihn zwingen, alles abzublasen, was er mit Ihnen anstellen wollte. Und nun würde ich Ihnen vorschlagen, sich hinzusetzen und sich, so gut es geht, auszuruhen, weil ich glaube, daß er uns hier herausholen wird, sobald der Morgen anbricht.«
    Chris setzte sich auf den Boden und schwieg eine Weile still. »Sie hätten sich retten können. Bevor er die beiden Männer in die Bibliothek rief, hätten Sie ohne weiteres flüchten können. Warum haben Sie das nicht getan?«
    Tynan streckte sich aus, den Rücken gegen die Tür gelehnt, die Augen halb geschlossen. »Vielleicht hätte ich das, vielleicht auch nicht. Warum versuchen Sie jetzt nicht ein bißchen zu schlafen? Morgen früh werden Sie eventuell ein Stück weit Ihre Beine in die Hand nehmen müssen.«
    Chris konnte keinen Schlaf finden; aber sie schwieg, während sie Tynan betrachete, der ihr gegenüber an der Tür lehnte. Seit der gräßlichen Nacht in der Blockhütte hatte sie sich bemüht, nicht mehr an diesen Mann zu denken, sich nicht mehr daran zu erinnern, wie er aussah, wie er roch, wie er sie angerührt hatte. Doch nun, da er ihr wieder greifbar nahe war, konnte sie gar nicht vermeiden, daß alles, was sie mit diesem Mann erlebt hatte, ihr wieder gegenwärtig war.
    Und mit diesen angenehmen Erinnerungen kamen auch seine Worte zurück: Er wolle sie nur zu ihrem Vater zurückbringen, sei lediglich an der Aussicht einer endgültigen

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