Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
Bericht über die Geschehnisse zu hören. Er verriet ihm nicht, dass er die Geschichte bereits kannte, um Caryll seine Version der Sache ohne Unterbrechung berichten zu lassen. Vielleicht wusste ja Caryll mehr darüber, warum die Dinge sich so zugespitzt hatten. Er war neugierig.
Caryll wusste, dass sein junger Freund daran dachte, ein neues Gedicht zu schreiben, und er hoffte, er könnte Alexander dazu bewegen, eine authentische Darstellung der Ereignisse dabei zu verwenden. »Die Petres und die Fermors standen sich lange sehr nahe«, begann Caryll. »Es war sogar mal von einer Verbindung zwischen der ältesten Miss Fermor und meinem Mündel, dem Baron, die Rede. Ihr Vermögen ist nicht groß, und es sind da noch sieben jüngere Schwestern zu versorgen, aber ich habe es immer für eine exzellente Gepflogenheit gehalten, zwei so alte Häuser zu vereinigen. Doch kürzlich hat sich wohl eine empfindliche Abkühlung zwischen den beiden ergeben.«
Er hielt inne und korrigierte sich selbst: »Es ist mehr als eine Abkühlung, es ist Erbitterung. Die Fermors sind erbost über die Petres – anscheinend unversöhnlich. Und wegen so einer Bagatelle! Lord Petre hat in einem Moment vitalen Überschwangs Miss Arabella Fermor eine Locke ihres Haars geraubt. Dieser Jux ist einfach zu ernst genommen worden. Er hat eine tiefe Entfremdung zwischen den beiden Familien verursacht, obwohl sie doch zuvor so lange in Freundschaft verbunden waren.«
»Es schmerzt mich, das zu hören, Sir«, sagte Alexander. »Wie Sie richtig bemerken, scheint es ein zu trivialer Anlass, um eine so unheilvolle Verärgerung zu bewirken.« Er argwöhnte, dass Caryll mehr wusste, als er kundtat und wollte schon drauf bestehen, Details zu erfahren. Doch dann hielt er sich zurück.
»Liebesdinge sind nur allzu oft Auslöser entsetzlicher Zerwürfnisse, fürchte ich«, sagte Caryll. »Aber ich glaube, Sie könnten wesentlich dazu beitragen, eine Versöhnung herbeizuführen, Pope.«
»Ich, Sir? Wie denn das?« Alexander grauste davor, zu hören, was man von ihm wohl verlangen würde.
»Ich wünsche mir, dass Sie ein Gedicht schreiben, das einen Spaß daraus macht, über den sie wieder gemeinsam lachen können.«
Alexander hüpfte das Herz in der Brust: Das war eine brillante Idee!
»Ein Gedicht über Miss Fermors geraubte Locke?«, meinte er gedehnt, bemüht, nicht zu eifrig zu wirken, damit Caryll sich nicht wunderte, weshalb ihn die Idee so begeisterte. »Das Thema ist ein bisschen dünn«, fügte er hinzu.
»Vielleicht merken Sie aber, dass sich daraus mehr machen lässt, als es auf den ersten Blick scheint«, erwiderte Caryll gewitzt. Alexander war dankbar für diese Anregung und beschloss erneut, nicht zu eingehend nach dem Grund zu fragen. Was machte es denn schon, wenn Caryll mehr wusste über Arabella Fermors geschändetes Haar? Er war es doch und nicht Caryll, der die Episode zu Papier bringen würde!
»Ich hege große Sympathien für Miss Fermor und ihre Familie«, fuhr Caryll fort, »und ich würde sie gerne wieder glücklich sehen. Besonders, da die Kränkung auf so einem unbedeutenden Ereignis beruht.«
»Wie Sie sehr richtig sagen, Sir, genau das verleiht ja dem Thema seinen besonderen Reiz«, erwiderte Alexander.
Während sie zum Haus zurückgingen, bedankte sich Alexander bei John Caryll für seine Anregung und versprach, über die Idee nachzudenken. Aber dann kamen ihm doch Bedenken. Caryll lebte weit entfernt vom Hof und von der Stadt, überlegte Alexander, und auch wenn er sich mit seinen Reisen nach London brüstete, liebte er doch im Grunde ein zurückgezogenes Leben, umgeben von einer liebenden Familie und alten Freunden. Caryll hatte seinen Vorschlag wahrscheinlich aus freundschaftlicher Sorge um Menschen gemacht, die er als fromme Katholiken und ehrenhafte Gutsherren kannte. Sollte Alexander seinen Freund doch lieber wissen lassen, dass es zwischen den beiden Parteien intimere Verwicklungen gegeben hatte, als ihm bekannt war? Wie anders würde sein Freund wohl denken,wenn er alle Details kannte? Aber er beschloss, nichts zu sagen. Er wollte nicht, dass Caryll seine Bitte an ihn, das Gedicht zu schreiben, änderte – was er ganz gewiss tun würde, wenn man ihn über alle Einzelheiten in Kenntnis setzte. Er befand, dass Caryll ja die ganze Wahrheit über die Geschichte niemals zu erfahren brauche.
Caryll beobachtete Alexander aufmerksam. Einen Moment lang war ihm, als blicke Alexander ihn ein wenig scheel an, fast so, als ahne
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