Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
ehrgeizigen Menschen gleich, überlegte sie. Oder alle erfolgreichen Menschen, korrigierte sie sich selbst. Denn wie amüsant es auch sein mochte, über Alexander oder Arabella zu spötteln, so wenig amüsant war es doch, sich über Teresas unerfüllte Hoffnungen lustig zu machen.
Zwei Tage später verließen Martha und Teresa London und kehrten nach Mapledurham zurück. Eine Woche später reiste Alexander ebenfalls ab. Sein Abschied von Jervas vollzog sich in einer Mischung aus Erleichterung und Bedauern, auf die Jervas auf seine gewohnte Art und Weise reagierte:
»Ich neige nicht zur Melancholie, Pope – ich bin nicht gerne traurig. Deshalb sage ich auch nicht, dass ich dich vermissen werde, sondern lieber, dass ich mich auf deine Wiederkehr freue.«
Alexander drückte heftig die Hand des Freundes und dankte ihm sehr ernst für alles, was er für ihn getan hatte. »Ich komme zurück, sobald ich ein Gedicht zu verkaufen habe«, fügte er hinzu.
Mit fröhlichem Winken rief Jervas auf Wiedersehen.
Nach dem Vorfall im Hampton Palace dachte Arabella, sie werde ihr Gesicht nie wieder in der Öffentlichkeit zeigen können. Es war ja nicht nur die Tatsache, dass Lord Petre sie verlassen hatte, die so beschämend war – das Risiko ihrer Romanze war ja stets von der Gefahr begleitet gewesen, dass sie ihr Ziel womöglich nicht erreichte. Aber wenn sie je über eine Trennung nachgedacht hatte, so als eine private Angelegenheit, ausgelöst durch die Weigerung seiner Familie, die Heirat gutzuheißen. Und sie hatte es sich ausgemalt: tränenreich und quälend für ihn, bedauerlich, aber würdevoll für sie. Aber natürlich hatte sie geglaubt, er werde sich über die Verweigerung seiner Familie hinwegsetzen und sie trotzdem heiraten.
Als sie genauer darüber nachsann, was geschehen war, da war sie überzeugt, dass Lord Petres Familie solch eine öffentliche Trennung verlangt hatte, um sicher zu sein, dass die Beziehung nicht wieder aufgenommen würde. Und sie fragte sich, welches Druckmittel sie wohl angewandt hatten, ihn dazu zu zwingen. Es musste ein äußerst wirksames Mittel gewesen sein. Und ihr wurde klar, dass seine Leidenschaft in der Vergangenheit wohl mehr durch sentimentale als durch moralische Impulse motiviert gewesen war, denn moralische wären mit einem solchen Ausgang, mit seinem kalten, skrupellosen Verhalten nicht zu vereinbaren gewesen. Das war einfach charakterlos.
Doch während die Tage verstrichen, wich ihr Gefühl der Demütigung und des Betrogenseins einer unerwarteten Erleichterung. Sie konstatierte, dass ja alle Welt von ihrer Affaire gewusst hatte, und selbst wenn es privat zum Bruch gekommen wäre – es hätte sie zum Objekt allgemeinen Mitleids gemacht: Mitleid mit der armseligen Verstoßenen eines reichen, charmanten Aristokraten. So wie die Dinge standen, war es aber er, der dabei schlecht wegkam, weil er die Fassade eines öffentlichen Schauplatzes ausgenutzt hatte, sich derart ehrenrührig aufzuführen. Hätte er Arabella geheiratet, so hätte er dadurch echte Noblesse bewiesen – hätte gezeigt, dass er reich genug war, aus Liebe zu heiraten, und selbstsicher genug, eine so großartige Frau wie Arabella Fermor zu heiraten. Sie hoffte, die Gesellschaft werde seine Heirat mit Catherine Walmesley als einen jämmerlichen Rückzieher betrachten, als unverblümtes Bemühen, seiner Familie durch die Verbindung mit einer Frau, aus der sich niemand etwas machte, die Taschen zu füllen.
Wenn Arabella also ihre Situation klug steuerte, so konnte aus ihr eine noch begehrenswertere Trophäe werden. Sie beschloss, London für eine Saison zu verlassen, stattdessen nach Bath zu gehen und im folgenden Jahr in die Hauptstadt zurückzukehren, denn dann wären Lord Petre und Miss Walmesley lange genug verheiratet, um mit dem unrühmlichen Geschäft des Brütens beschäftig zu sein.
Diese Überlegungen und diese Entscheidung ermutigten sie zwar, aber sie konnten doch nicht verhindern, dass ihre einsamen Stunden von einem Gefühl bitterer Enttäuschung überschattet wurden. Und sie war selbst überrascht von der Art dieser Enttäuschung: Sie war sich klar darüber, dass sie es auf Lord Petre abgesehen hatte, weil sie die Frau eines Barons werden wollte – und auch wegen des damit verbundenen aufregenden Abenteuers. Jetzt im Rückblick aber erkannte sie, dass es weit mehr gewesen war als sein Rang und sein Reichtum, was diese Beziehung so wunderbar gemacht hatte. Ihr Ehrgeiz, der sie anfangs angetrieben
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