Die Verführung des Mondes (German Edition)

ausgehen, wenn man will und auch nicht ausschlafen. Und in meiner Prioritätenliste nimmt meine Tochter einfach immer den ersten Rang ein, ich habe keine Ahnung, ob ein Mann wie Phillip, der zudem nicht ihr Vater ist, damit leben könnte.
     
    Vielleicht zu Weihnachten!
     
    Der Gedanke lässt mich nicht mehr los und fühlt sich viel zu gut an.
     
    Am Montag überfällt mich die gängige Routine. Ich schaffe es gerade noch so, pünktlich im Laden anzukommen. Ein paar Minuten später ist Ella da, sie hat heute Vormittag eigentlich frei. Sie bringt einen Stapel Bücher mit.
    „Guten Morgen!“, sie strahlt und ich frage mich, wie man nur schon so früh am Morgen so gute Laune haben kann.
    „Du bringst Arbeit mit zur Arbeit?“ Ich zeige grinsend auf den Stapel Büchern unter ihrem Arm.
    „Ja. Ich war gestern bei einer Haushaltsauflösung, die hier habe ich günstig bekommen. Schaust du sie mal an und machst Preise dafür?“
    Ich nicke und nehme ihr die Bücher ab. Ella ist gelernte Restauratorin, und während sie die Expertin für die kleinen aber exklusiven Antiquitäten ist, die wir in unserem Laden verkaufen, bin ich die Expertin für Bücher. Ich habe während meines Studiums fast ausschließlich mit historischen Schriften gearbeitet und mich durch unseren Laden nach und nach immer weiterentwickelt. Ich kenne mich aus damit, welche Bände wertvoll und selten sind und welche es nicht sind und ich kann auch ohne genaue Jahreszahl in den Büchern einschätzen, wann sie in etwa erschienen sind.
     
    Ich schaue mir die Bücher immer nach derselben Abfolge an. Als erstes die Titel, danach der Zustand der Außenumschläge, schließlich das Erscheinungsjahr. Ich weiß, dass dies die Dinge sind, auf die auch Ella immer achtet, allerdings im Schnellverfahren. Oft ist auf solchen Haushaltsauflösungen ein Riesenandrang, und wenn sie nicht schnell genug ist, sind die Bücher, die eventuell einen Wert haben könnten, schon verkauft.
    Die meisten Bücher sind, auch wenn sie vielleicht antik aussehen mögen, ohnehin kaum etwas wert. Ausnahmen bilden da Handschriften und Erstausgaben oder besonders seltene Auflagen, manchmal auch Widmungen vom Autor, eben Dinge, die ein Buch zu etwas Besonderem machen. Ella hat ein untrügliches Gefühl für seltene Bücher, ich habe keine Ahnung, wie sie das anstellt. Sie findet tadellos erhaltene Erstausgaben, wo andere Menschen nicht einmal ein halbwegs lesbares Reclamheft ergattern können.
     
    Die Bücher, die Ella mitgebracht hat, sind alle aus den 1930er Jahren und in einem super Zustand. Vor allem die Schutzumschläge sehen aus wie neu. Aber das muss, wie gesagt, nicht unbedingt etwas heißen. Niemand kauft ein altes Buch für viel Geld, obwohl er auch ein neues für weniger haben könnte, es muss schon andere Anreize dafür geben.
     
    Mein Herz schlägt höher, als ich ein Exemplar von Ernest Hemingways „The Torrents Of Spring “ in die Hand nehme. Der Schmutzumschlag ist perfekt erhalten, ohne jegliche Mängel, es ist nicht einmal stark vergilbt. Das Buch muss jahrzehntelang in irgendeinem verschlossenen Schrank verstaubt sein, fernab von jeglichem schädlichen Lichteinfall, dreckiger Hände und Nässe. Ich schlage das Buch auf und kann unser Glück kaum fassen. Das Buch ist eine Erstausgabe, 1926 in New York erschienen. In diesem Zustand ist es locker mehrere Tausend Dollar wert, es wurden in dieser Auflage nur etwas über 1200 Exemplare gedruckt. Ich blättere weiter in dem Buch.
    „Scheiße!“, rutscht mir dann heraus.
    „Was ist los?“, Ella steht hinter mir.
    „Da steht eine verdammte Widmung drin. Irgendwer hat das Buch anscheinend seiner Angebeteten geschenkt und das in das Buch schmieren zu müssen gemeint!“
     
    Für Pauline,
    in Liebe,
    E. M. H.
     
    steht in einer, zugegeben schönen und leicht verschnörkelten, Schrift auf der ersten Seite. Was die Sache allerdings nicht besser macht.
    Solche Widmungen mindern den Wert eines Buches leider enorm. Seitdem ich diese Erfahrung gemacht habe, kann ich Widmungen in Büchern nicht mehr leiden. Ohnehin sollte man in Büchern nicht herumschmieren, Anmerkungen an den Rand schreiben, Stellen mit Textmarker markieren oder sonstige gruselige Sachen tun. Es sei denn, es sind Taschenbücher, da mag es noch legitim sein. Bücher sollte man sorgsam behandeln, Lesezeichen benutzen und sich die Hände waschen, bevor man darin liest!
    „Schade!“, sagt Ella, „Ich hatte bei dem Buch irgendwie ein gutes Gefühl!“
    „Zu