Die Vergangenheit des Regens
dessen Oberfläche Bäume wuchsen. Das Blitzen und Donnern in der Höhe lieà nach, das beständige Rauschen des Regens jedoch blieb.
Einmal tauchte Onouk neben Ijugis auf und fragte besorgt in das fallende Wasser hinaus: »Hoffentlich haben wir nicht zu viel des Guten getan. Hoffentlich ersäuft der Wald jetzt nicht. Vielleicht hätte Kinjo die Trommel nur einmal schlagen sollen, nicht so oft, wie er es getan hat.«
»Regenzeit, Onouk«, sagte Ijugis. »Timbare hat mir mal davon erzählt. Wenn es in den Regenwäldern regnet, dann richtig. Ich denke, es ist alles in Ordnung.«
In frühester Morgendämmerung brachen sie auf.
Am Abend schon hatten sie einen Regenschutz für Ukasâ Schlepptrage gebaut. Ijugis, Onouk und Tegden legten sich zu dritt in das aus den Seilen des königlichen Schatzfinders improvisierte Geschirr. Bestar trug wieder Migal huckepack, während Tjarka Bestar die Rüstung und das schwere Erzschwert abnahm. Kinjo bestimmte den Weg. Rodraeg half aus, wenn die Trage sich irgendwo verfing, Bestar ins Rutschen geriet oder der Weg überspült und schwer passierbar war.
Immer wieder aufs Neue konnten sie ihre Feldflaschen und Schläuche im Regen füllen und sich dann satt trinken. GroÃe Bereiche des Urwalds waren überschwemmt, aber Kinjo, der den Holzstab Delphiors stets in den Händen hielt, fand immer neue Wege, die Gruppe einigermaÃen sicher zum Fluss zu führen.
Und schon nach sechs Stunden Marsch erreichten sie das Flussbett, in dem tatsächlich braunes, mit Schwemmsand verunreinigtes Wasser gischtete. Die Kürze der Strecke war ein Beleg dafür, wie sehr sie auf dem Hinweg â als sie vom Fluss zur Bago anderthalb Tage gebraucht hatten â am Ende ihrer Kräfte gewesen waren.
Sie legten Ukas und Migal möglichst überspülungsgeschützt ab und machten sich daran, ein Floà zu bauen. Bestar fällte mit Skergatlu schlanke Bäume; Tegden, Rodraeg und Onouk sammelten die Stämme, Zweige und weiteres Dichtungsmaterial zusammen, Tjarka und Kinjo verknüpften die Stämme mit Lianen und Seilen zu einem tragfähigen Untersatz, und Ijugis stellte nicht nur drei lange Stakstangen her, mit denen sie das Floà von den Ufern fernhalten wollten, sondern auch noch zwei gar nicht übel aussehende Paddel.
Am Nachmittag hörte der Regen kurz auf. Die Sonne brach durch die Wolken und verwandelte all die Nässe in einen funkelnden Glasgarten. Die meisten Pflanzen waren immer noch braun und tot, aber hier und dort bildete sich bereits neues Leben: Blüten, Ableger, Keimlinge, Sprossen, neue Blätter. Vereinzelte Vorahnungen dessen, was noch folgen mochte.
Rodraeg blickte besorgt auf den Fluss, der sich wild und schaumig gebärdete. Es schien offensichtlich, dass dies nicht ausschlieÃlich Regenwasser war, sondern dass auch die ursprüngliche Quelle wieder floss, aber durch den Regen war der Fluss angeschwollen und trat hier und dort schon über die Ufer. Rodraeg überlegte, ob er Ribans Phiole wieder leeren und stattdessen mit dem Wasser dieses Flusses füllen sollte, einer Mischung aus Himmel und Quelle. Aber dann vertraute er doch seinem ursprünglichen Instinkt. In der Phiole war Wasser, das niemals einen wie auch immer gearteten Boden berührt hatte. Also reinstes, unverfälschtes Götterelement.
Nach der kurzen Ruhepause für Erde und Himmel regnete es weiter, nicht mehr so heftig wie zuvor, aber dennoch beharrlich. Der gesamte Dschungel war deutlich abgekühlt, die Wärme nun sehr angenehm und immer noch dem Frostmond ein sommerlich anmutender Hohn.
»Wollen wir heute noch aufs FloÃ?«, fragte Ijugis â schmutzig und späneverklebt von der Arbeit â am frühen Abend die anderen.
Tegden schüttelte den Kopf. »Es wird bald dunkel. Im Dunkeln auf dem Fluss ist Wahnsinn. Wenn da ein Baum quer drüber liegt â wir sehen ihn nicht mal kommen.«
»Ich weiÃ.« Ijugis nickte. »Aber irgendwie habe ich Angst, dass der Regen wieder aufhört, die Quelle wieder versiegt, der Fluss wieder austrocknet. Im Moment sieht es so aus, als hätten wir gewonnen. Als gäbe es ein glückliches Ende. Ich will nicht mehr hier sein, wenn sich das als Trugschluss herausstellt.«
Sie sahen beide zu Rodraeg hinüber, demjenigen von ihnen, der mit einem Gott gesprochen hatte. Rodraeg lächelte. »Ich denke, dass hier jetzt wieder alles im
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