Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
einmal alleine zurückwatete in den lebendigen Nebel, um die Decken wieder einzusammeln.
    Obwohl die Durchquerung dieses Sumpfes sich als viel gefährlicher herausgestellt hatte, als zu erwarten gewesen wäre, konnte Rodraeg doch mit einer gewissen Erleichterung feststellen, dass die Gruppe als solche sich bewährt hatte. Erdbeben hatte dem Mammut ausgeholfen und umgekehrt. Es hatte keinerlei Reibereien gegeben. Man war gemeinsam in Gefahr, und je mehr man sich gegenseitig beistand, desto wahrscheinlicher war, dass die Mission zum Erfolg führen würde. Es war womöglich nur noch eine Frage von Stunden oder wenigen Tagen, bis auch Bestar und Migal sich gegenseitig stützen würden, als wäre nie etwas Belastendes zwischen ihnen vorgefallen.
    Jacomer kam mit den Decken zurück und wurde von allen, selbst von Timbare, für seine Umsicht gelobt. Auch Rodraeg sah den kleinen, stets unruhigen Schützen nun mit neuen Augen. Im Urwald konnte man wohl gar nicht argwöhnisch und vorsichtig genug sein.
    Während des weiteren Weges suchte Kinjo ein paar Kräuter zusammen, die er am Abend zu einer Paste gegen den Juckreiz verrühren wollte.
    Schließlich erreichten sie einen geeigneten Rastplatz auf trockenem Grund, wo Timbare ein beinahe rauchfreies Feuer entzündete und sie ihre nasse Kleidung einigermaßen trocknen konnten, damit nicht allzu viele Egel und Larven in ihr hängen blieben. Jacomer drang weiter in den Busch vor und erlegte mit seinem Bogen eine kurzbeinige Gazelle und ein schwarzborstiges Buschschwein, was ihn für die anderen endgültig zum Helden des Tages machte.
    Obwohl es noch nicht dunkelte, war allen ihre Erschöpfung deutlich anzumerken. Timbare blickte in schweißglänzende, hechelnde Gesichter, als er sagte: »Für heute lassen wir es gut sein. Morgen wisst ihr bereits, wie schwülwarm und anstrengend es hier drinnen ist, und wir werden desto besser vorankommen. In der ersten Morgendämmerung geht es weiter.«
    Nach dem Bratenessen teilte Ijugis Doppelwachen ein. Zuerst drei Stunden lang er und Onouk, dann Migal und Tegden, gegen morgen dann der Erleuchtete und Selke. Das Mammut wurde bei dieser Wacheinteilung nicht berücksichtigt, aber wohl eher aus Schonung denn aus Misstrauen, denn auch Jacomer, der heute sehr viel geleistet hatte, durfte zur Belohnung durchschlafen, ebenso wie Ukas, der am häufigsten gestürzt war.
    Rodraeg war Ijugis dankbar für die Nachtruhe. Die Insektenstiche juckten und brannten, viele davon im Gesicht und an den gut durchbluteten Hand- und Fingergelenken, aber nachdem Kinjo Utanti sie alle einzeln mit seiner grünen Paste abgetupft hatte, fühlte sich das schmerzhafte Jucken kühl und gedämpft an.
    Schon nach einem einzigen Tag konnte Rodraeg davon ausgehen, dass diese Mission die schwerste war, die das Mammut je mitgemacht hatte. Aufreibender noch als die Mission in der Höhle des Alten Königs , bei der sie alle bis auf Bestar ums Leben gekommen waren.

    Gegen Mitternacht entstand ein solcher Lärm im umliegenden Wald, dass ungeachtet der Wacheinteilung alle für gut zwei Stunden auf jeglichen Schlaf verzichten mussten. Wildes Tiergeschrei durchtobte den Forst. Unter den vielen Stimmen, die gleichzeitig ertönten, konnten Timbare und Kinjo nur die erkennen, welche auch einzeln zu hören waren. Es war das einförmig jammernde Geheul der Brüllaffen, der winselnde, fein flötende Ton der kleinen Buschantilopen, das schnarrende Murren des Vierarmäffchens, das abgesetzte Geschrei des gefleckten Baumparders, des Pekarischweins, des Grauen Faultiers und einer Schar von Kleinstpapageien, Kakapos genannt, und größerer, fasanenartiger Vögel. Bisweilen kam das Geschrei des Parders von der Höhe eines nahen Baumes herab, dann fassten alle im Lager ihre Waffen fester. Es war dann stets von den klagenden Pfeifentönen der Vierarmäffchen begleitet, die der Nachstellung zu entgehen suchten.
    Rodraeg schien diese Szene ein zufällig entstandener, lang fortgesetzter, sich steigernd entwickelnder Tierkampf. Der Parder verfolgte die Nabelschweine und Tapire, die dicht aneinander gedrängt das baumartige Strauchwerk durchbrachen, welches ihre Flucht behinderte. Davon erschreckt, mischten von dem Wipfel der Bäume herab die Affen ihr Geschrei in das der größeren Tiere. Sie erweckten die gesellig horstenden Vogelgeschlechter, und so kam allmählich die ganze

Weitere Kostenlose Bücher