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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Streiter der Königin und erbitterte Gegner der Krone. Männer und Frauen. Ganz Junge und schon Erfahrene. Klippenwälder aus dem Norden und Sonnenfelder aus dem Süden. Anführer und Gefolgsmenschen. Nahkämpfer und Fernwaffenkundige. Andersgläubige und Erleuchtete. Menschen seid ihr alle, und Menschen werdet ihr sein! Delphior wird wohlgefällig auf euch herabschauen und euch den Regen schenken, der sein Lächeln für die mürbe Erde ist – denn ihr werdet ihn euch durch Redlichkeit verdient haben.« Er breitete beide Arme aus, segnete sie alle und lächelte dabei.
    Â»So sei es! Ehre den Göttern in der Höhe!«, jauchzte der Erleuchtete. Ukas Nouis brabbelte ein Gebet, Timbare und Kinjo Utanti senkten in Andacht die Häupter.
    Rodraeg unterdrückte ein Kopfschütteln. Er war noch nie besonders götterfürchtig gewesen. Naenns religiöse Inbrunst hatte ihn unwillkürlich angerührt, und auch die Riesen ehrten den Einen und die Zehn, in die der Eine auseinandergebrochen war, aber Rodraegs Erlebnisse mit dem Mann, der nicht geboren wurde hatten ihn eher wieder zu der Ansicht zurückgeführt, dass lediglich das Böse tatsächlich existierte – und alles andere nur Wunschdenken war. Nur das mit den Zufällen beschäftigte ihn mehr und mehr. Ob es einen Plan gab für alles, was sich ereignete. Einen Plan, den man anhand von Prophezeiungen, Visionen, Magie, Geistertänzen und anderen Methoden entschlüsseln und begreifen konnte. Und ob einer nicht ein Gott sein musste, einen solchen Plan zu ersinnen.
    Sie gingen los unter dem wiederholten Segen und Lächeln des Delphiorpriesters.
    Hinter ihnen schlossen sich die grünen Blätter des Dschungeldickichts wie ein mosaikbestickter Vorhang.

3

Kontinent der Insekten
    Der Übergang von einem Schritt außerhalb des Waldes zu einem Schritt innerhalb des Waldes war ähnlich erstaunlich wie die Magie der Riesen, die einen aus dem Wildbart an die Sandseeküste versetzte. Außen war alles Strand gewesen. Überschaubar. Von Blickfluchten und dem Horizont erfüllt. Hier drinnen jedoch war alles Überforderung. Schwüle Hitze. Die Luft reichhaltig, schwer und süß. Erstaunliche Feuchtigkeit, die fettig von allen Blättern troff. Tausende von Grün-Abstufungen, Tausende von ineinanderfließenden oder auseinander hervorgehenden Formen in sämtlichen Abstufungen des Wachsens und Verwelkens. Der Himmel wurde unter dem Blätterdach ausgesperrt. Die schrillen Stimmen von Affen und Papageien hallten aus unbestimmbaren Richtungen wider. Der Boden, der eben noch sandig und flach gewesen war, erschien nun mit Baumstämmen und Ranken übersät und gleichzeitig in sich wulstig, uneben und tückisch. Nasse Blätter lagen überall und machten jeden Schritt glitschig. Gleichzeitig rissen höhere Bäume, als es sonst wo auf dem Kontinent gab, jeden abschweifenden Blick in schwindelerregend smaragdfarbene Höhen. Ein betäubender Duft lag über allem, ein Schwall von parfümierter Fruchtbarkeit und schimmelpilziger Verwesung. An einigen Stellen war dieser Duft als sich in Senken sammelnder Dunst regelrecht sichtbar. Und bereits einige Hundert Schritte innerhalb des Urwaldes begann die Herrschaft der Insekten, die in großen Trauben in der Luft tanzten, zu Tausenden über das Blattwerk am Boden krabbelten, die Rinden der Bäume mit mäandernden Straßen überzogen und in aggressiven Wolken die Dreizehnertruppe umschwirrten, um sich auf schweißiger Haut und in feucht glänzenden Augenwinkeln niederzulassen und entweder zu saugen, zu stechen oder Eier abzulegen.
    Einzig Timbare und Kinjo hatten keinerlei Probleme mit den Insekten, ganz so, als sei ihre dunkle Haut für die vielgestaltigen Flügeltiere nicht sichtbar oder nicht weiter von Interesse. Das Mammut und das Erdbeben jedoch bewegten sich fortwährend mit rudernden Armen und begleitet von gezischten Flüchen und dem dumpfen Klatschen selbst verabreichter Ohrfeigen. Sogar Tjarka, walderfahren und abgebrüht, fühlte sich umzingelt von so viel wild wuchernder Fremdartigkeit. Sie war froh, dass die beiden Dunkelhäutigen voranschritten, unbeirrbar, wie es schien, sich, ohne Buschmesser zu benutzen, einen natürlich scheinenden Weg hinein ins Gehölz bahnten und dabei von dem Erleuchteten und Onouk flankiert wurden, die mit gezogenen Langmessern und Sicheln die Gruppe nach vorne

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