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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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der Erleuchtete. »Kann man denn nicht auch außenherum gehen?«
    Â»Wir folgen jetzt schon seit zwei Stunden Kinjos Angaben«, erklärte Timbare. »Er spürt einem guten Platz für einen Geistertanz nach, und auf diesem Weg zieht es ihn dorthin.«
    Â»Das erinnert mich an den Affenmenschenfeldzug«, sagte der Erleuchtete zu dem hinter ihm gehenden Ukas Nouis. »Die Magier sagten, es sei richtig, jetzt mitten durch diese Schlucht zu watscheln. Und die Affen haben das dann weidlich ausgenutzt und Steine auf uns runterregnen lassen.«
    Immer wieder blickten alle sich argwöhnisch um. Oftmals bewegte sich ein Tier im Busch, oder es raschelte irgendwo, ohne dass man erkennen konnte, weshalb. Aber kein Spinnenmensch, kein Baumparder, kein legendärer Smaragddrache, nicht einmal ein kleiner Gatate zeigte sich.
    Bestar bekam langsam Schwierigkeiten mit seiner Ausrüstung. Während Tjarka vor ihm hersprang und -tänzelte wie ein Urwaldtierchen, spürte der Klippenwälder deutlich, dass er die schwerste Rüstung und das massigste Schwert von allen mit sich herumschleppte. Der Schweiß lief ihm in Strömen, und er griff häufiger zum Wasserschlauch, als es der Einteilung entsprach. Einmal fing er einen höhnischen Blick Migals auf. Da wurde Bestar zornig und nahm sich vor, den ganzen Rest des Tages überhaupt nichts mehr zu trinken. Zwei Stunden später jedoch wurde er erneut schwach.
    Als in der Abenddämmerung immer noch kein Trockengebiet in Sicht war, fragte der Erleuchtete den ansonsten recht schweigsamen Enenfe, ob sie im Kreis gingen. Der Gatate beteuerte, dass sie sich zwar nicht ganz gerade, sondern leicht im Zickzack – »wie Schlange sich windend!« –, aber dennoch beständig von Bruder Attrik entfernten und dem inneren Wald immer näher kamen.
    In dieser Nacht endlich tanzte Kinjo Utanti mit den Geistern.
    Rodraeg und Tjarka übernahmen die erste Wache, um sich das anzusehen, während Bestar erschöpft schlief und wegen seines lauten Schnarchens zweimal von Jacomer angestoßen werden musste.
    Kinjo Utanti nahm Pilze zu sich, die er im Wald gefunden hatte, entkleidete sich bis auf einen Schnürschurz, den er sich tagsüber aus großen Blättern gefertigt hatte, beschriftete sich selbst mit Zeichen aus Pflanzensaft und tanzte mit drehendem Körper und weit gebreiteten Armen auf dem weichen Erdreich. Die Augen hatte er bald geschlossen, bald weit aufgerissen und zum laubverhüllten Himmel gerichtet. Musik oder auch nur Trommelrhythmus gab es nicht, lediglich einen ganz leisen, insektenartig summenden Gesang, der aus Kinjos Kehle kam. Der Tanz war eine merkwürdig gespenstische Angelegenheit. Nach einer Stunde etwa ließ Kinjo sich fallen, wo er zuletzt getanzt hatte, und schlief ein. Timbare, der ebenfalls wach geblieben war, erklärte Rodraeg und Tjarka, dass Kinjos Tanz lediglich dazu diente, die Aufmerksamkeit der Waldgeister zu erregen. Der Tanz machte Kinjo sichtbar. Der eigentliche Austausch fand dann im Schlaf und in Träumen statt.
    Rodraeg dachte während seiner restlichen Wachschicht über den Kopf von Oobo nach, einen Schutzgeist aus Timbares südwestlichem Regenwald. Eine Büste dieses Geistes stand wahrscheinlich immer noch auf Rodraegs Schreibtisch im inzwischen von der Stadtgarde beschlagnahmten und versiegelten ehemaligen Haus des Mammuts in Warchaim. Wäre das mit dem Mann, der nicht geboren wurde nie passiert, dann hätte Rodraeg den hölzernen Kopf vielleicht sogar mitgenommen auf diese Reise, denn wer konnte mit Sicherheit ausschließen, dass Oobos Einfluss auch hier im Osten hilfreich wäre bei einem solchen Unterfangen, das keine echte Richtung kannte, sondern sich überwiegend durch Hoffnung vorantrieb?
    Eine Zusammenkunft der Träumer war dies, in der Tat.

    Am Morgen berichtete Kinjo, dass er im Traum ein Symbol empfangen hatte: ein Oval, das von drei sich in der Mitte kreuzenden Linien durchschnitten war. Die Linien reichten mit ihren sechs Enden über das Oval hinaus. Kinjo versuchte, dieses Symbol mit einem Stöckchen in die Erde zu zeichnen.
    Â»Ein durchgestrichener Stein«, meinte Ijugis.
    Â»Eine Kreuzung auf einer Lichtung?«, mutmaßte Onouk.
    Â»Die Sonne mit ihren Strahlen.« Ukas lächelte.
    Â»Ein Spinnenmensch«, sagte der Erleuchtete düster, um gleich darauf von Timbare verbessert zu werden: »Spinnenmenschen haben auch nur vier

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