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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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in ein Dorf geleitet wurde, wo man ihm das Leben rettete.
    Â»Auch ich habe schon viel über Oobo nachgedacht in den letzten Wochen«, bekannte Timbare, der beeindruckt war, als Rodraeg ihm sagte, dass er einen Oobokopf auf seinem Schreibtisch stehen habe. »Oobo ist der Schutzgeist meines, des westlichen Waldes. Als wir noch im Bruder Attrik waren, habe ich versucht, aus den Gatate herauszubekommen, ob der östliche Regenwald auch einen solchen Schutzgeist besitzt und wie sein Name sei. Von mehreren hörte ich daraufhin den Namen Ettú .«
    Â»Ettú?«, hakte Rodraeg nach. »Und wie hieß noch mal dieses dritte Volk oder dieser Gott, der mit der Trockenheit auftauchte und die Spinnenmenschen in Raserei versetzt haben soll?«
    Â»Utté.«
    Â»Das ist dasselbe Wort, nur rückwärts.«
    Â»Was vielerlei bedeuten kann. Entweder ähneln sich in der Sprache der Gataten einfach viele Worte. Oder aber Utté ist die Negation, die komplette Umkehrung eines Schutzgeistes, also ein Bedrohungsgeist. Oder Utté und Ettú sind ein und derselbe, einmal in gütiger, einmal in zorniger Stimmung.«
    Â»Wenn ich meinen Oobokopf dabeihätte – meinst du, er könnte uns hier helfen?«
    Â»Ich würde es nicht ausschließen. Vielleicht waren die beiden Regenwälder ja früher einer, und die Menschen der Sonnenfelder haben einfach eine Schneise hineingeschlagen, um dort leben zu können. Eine Schneise, breiter als die Wälder selbst.«
    Â»Das glaube ich nicht«, sagte Rodraeg, der spürte, wie sich ein ganz leiser, beinahe vergessen geglaubter Heimatstolz in ihm regte und wie Timbares Worte ihn deshalb ärgerten. »Die Sonnenfelder sind viel zu heiß und trocken für einen solchen Wald.«
    Â»Das mag sein, aber die Frage ist: Sind die Sonnenfelder nicht womöglich nur deshalb heiß und trocken geworden, weil die Menschen dort die feuchtigkeitsspendenden Wälder vernichtet haben? Und ist es dies, dem wir nun entgegentreten? Einer Sonnenfeldwerdung des Regenwaldes?«
    Wie so oft ließ Timbare Rodraeg verwirrt und an der Welt zweifelnd zurück. Timbare hatte eine natürliche Begabung dafür, alles, was Rodraeg dachte oder tat, aus dem Gleichgewicht zu hebeln.
    Rodraeg erinnerte sich an die große Dürre, die die Menschen der Sonnenfelder vor einigen Jahren heimgesucht hatte und die den Ernteertrag und somit den Wohlstand seiner Eltern gefährdet und viele Flüchtlinge an die Mauern der Hauptstadt gespült hatte.
    War es dies, dem sie nun entgegentraten? Einer schleichenden Dürrewerdung des gesamten Südens, vielleicht des ganzen Kontinents?

    Am frühen Nachmittag gerieten sie an eine eigenartige Markierung: Fischgräten und ganze -skelette waren auf einer Linie quer über den schmalen Pfad gesteckt, dem sie seit etwa einer Stunde folgten. Kinjo prallte vor dieser Linie zurück, als sei sie mit einer spürbaren Energie geladen, und hielt die anderen davon ab, sich ihr allzu neugierig zu nähern.
    Â»Das sind Meeresfische, keine aus dem Fluss«, sagte Kinjo, der als Einziger die Markierung genau untersuchte. »Da hat sich jemand viel Mühe gemacht, diese Fische hierher zu transportieren. Das hat etwas zu bedeuten. Meeresfische sind noch deutlicher Delphiors Reich entnommen als die Süßwasserfische aus einem Urwaldfluss. Die Linie kreuzt unseren Weg genau rechtwinklig und endet jeweils zwei Schritte links und rechts davon. Dies ist eine Warnung, eigens für uns. Bis hierher, Delphiors Gesandte, und nicht weiter!«
    Â»Wir sind keine Delphiorgesandten«, begehrte Ijugis auf. »Nur weil wir von einem Delphiordorf aus aufgebrochen sind, macht uns das noch lange nicht zu willfährigen Vollstreckern irgendeines Gottes.«
    Â»Das spielt hier drinnen keine Rolle«, sagte Timbare leise. »Wir kommen alle von außen . In den Augen der Kenekenkelu sind Kinjo und ich genauso weiß wie ihr, und wir alle stammen aus der Welt der Zehn. Die Kenekenkelu jedoch gehören zum Reich von Ettú oder Utté, und vor dieser Macht bleibt von der Zehnwelt wenig mehr als Gräten übrig.«
    Â»Das ist wie auf dem Affenmenschenfeldzug«, hauchte der Erleuchtete, der solche Vergleiche bis zu fünfmal täglich fand und alle anderen bis auf Tegden Baudo damit immer wieder aufs Neue beunruhigte. »Am Skorpionshügel, im Licht der hellen Quelle, verbrannte alles Fleisch zu Knochen, dann zu

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