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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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wie über einen gelungenen Scherz und ging los. Die anderen folgten ihm weiter hinein in Dickicht und Verwirrung.

    Sie erreichten das Dorf bei Einbruch der Dunkelheit. Alle Schatten und Konturen waren trügerisch und mehrdeutig, aber soweit zu erkennen war, brannte nirgendwo ein Feuer oder ein Licht. Keine Einwohner gingen umher oder standen am Rande des Dorfes Wache. Es handelte sich um fünfzehn intakte Hütten derselben Bauweise wie im Bruder Attrik . Timbare entschied, das Dorf heute noch in Augenschein zu nehmen, anstatt außerhalb ein Nachtlager aufzuschlagen. Falls das Dorf einfach nur verlassen war, konnte man dort drinnen sicherere Schlafplätze finden. Aber es konnte auch ein Hinterhalt sein. Spinnenmenschen oder feindselige Gatate mochten auf der Lauer liegen. Vorsicht war also geboten.
    Nun zeigte sich, wie gut Ijugis sein Erdbeben im Griff hatte. Innerhalb nur zweier Sandstriche hatte er einen Eroberungsplan ausgearbeitet und angeordnet. Er selbst und Onouk umrundeten das Dorf und kamen somit von der anderen Seite, Tegden, Jacomer und Ukas von links, Migal und der Erleuchtete von rechts. Timbare, Kinjo, Enenfe und das Mammut sollten das Dorf aufrecht, offen und zu sechst von vorne betreten und alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
    So setzten sie es in die Tat um. Rodraeg, Bestar und Tjarka fühlten sich unwohl als lebende Zielscheiben und ärgerten sich alle drei darüber, dass Ijugis ihnen keine andere Rolle im Gesamtplan zutraute, aber noch bevor ihr Unmut irgendwelche Wellen schlagen konnte, hatten sie bereits unbeschadet die Mitte des kleinen, finsteren Dorfes erreicht und festgestellt, dass hier tatsächlich niemand mehr war. Ijugis’ Aktionsgruppen schwärmten lautlos von drei Seiten herbei, aber Timbare und Bestar hatten schon in sämtliche Hütten hineingeschaut. Nirgendwo sah es nach einem Kampf aus und auch nicht nach einem überstürzten Aufbruch. Die Bewohner schienen ihre Siebensachen zusammengepackt und widerstandslos das Feld geräumt zu haben. Wovor? Und wohin?
    Â»Vielleicht sind sie Richtung Küste und Bruder Attrik gegangen«, vermutete Timbare. »Da wir wohl einen Bogen geschlagen haben, anstatt den kürzesten Weg zu gehen, könnten sie im Abstand von einigen Meilen an uns vorbeigekommen sein, ohne dass wir sie bemerkten. Ist das hier eigentlich dein Heimatdorf, Enenfe?«
    Der Gatate schüttelte den Kopf. »Mein Dorf noch weiter hinein. Ich euch hinführend? Euch hinführend?«
    Â»Kinjo? Kannst du etwas wahrnehmen?«
    Â»Nichts Ungewöhnliches. Keine Zeichen. Keine Geister oder Stimmen.«
    Â»Wenn es wichtig ist, wo die Bewohner hingegangen sind, könnte Tjarka uns auf ihre Spur bringen«, schlug Rodraeg vor, doch Timbare wiegelte ab.
    Â»Das führt uns nur wieder tagelang in die falsche Richtung. Wichtiger ist für uns, weshalb sie ihr Dorf aufgegeben haben. Die Ursache liegt hier, nicht dort, wo sie hingegangen sind.«
    Â»Wir könnten sie aber nach dieser Ursache fragen, und dann könnten wir uns besser wappnen gegen das, was uns bevorsteht.«
    Â»So viel Zeit haben wir nicht, andauernd hin- und herzuwandern. Wir werden hier zur Nacht lagern, und morgen führt Enenfe uns dann zu seinem Dorf. Vielleicht haben wir dort mehr Glück.«
    Rodraeg wollte noch etwas sagen. Er hatte so eine Ahnung, dass das, was die Eingeborenen aus ihrer Heimat vertrieben hatte – Kinder und Greise eingeschlossen –, größer war, als ihre Expedition so ohne Weiteres erfassen konnte, aber er war müde, seine Insektenstiche juckten und pochten noch immer, der Proviant schmeckte nicht, seine Bartstoppeln kratzten und schimmerten grau, er wollte sich hinlegen und traumlos schlafen und gar keine Wache mehr halten. Zwar hatte Timbare diese Nacht das Mammut bei der Wacheinteilung eingeplant, aber Bestar und Tjarka übernahmen Rodraegs Schicht, und Jacomer gesellte sich noch freiwillig hinzu. In dem verwinkelten Dorf waren drei Wachen besser als zwei.
    Bestar und Jacomer blieben innerhalb des Dorfes, während Tjarka unruhig wie eines der nachts auf Beute gehenden Dschungeltiere die Ränder der Ansiedlung abschritt.
    Kinjo umgab sich mit von drei Linien durchkreuzten Ovalen und schlief abseits der anderen auf der nackten Erde. Seine Träume waren, als würde er durch bunt gefärbtes Wasser tauchen. Schlieren und Fäden verweigerten die Verdichtung zu Bildern. Das Traumbegehren, ansonsten

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