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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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führen musste? Wie Enenfe immer wiederholte: »Kenekenkelu in Irre «?
    Ein Ruf riss Rodraeg aus seinen sich unaufhaltsam weiter verzweigenden Gedanken. »Hierher!« Migals Stimme. »Hier ist noch jemand!« Rodraeg war dankbar, dass man ihn aus sich selbst herausholte.
    Migal hatte in einem unterirdischen Lagerraum einer Hütte am Waldessaum eine Gatate gefunden, eine uralte Frau, nackt bis auf ein Lendentuch, mit flachen, auf den Rippen aufliegenden Brüsten. Ihr Haar war aschfarben, lang und filzig, aber die Frau selbst wirkte nicht fahrig oder verstört. Sie war erstaunlich ruhig und gelassen. Enenfe kannte sie von früher. Ihr Name war Sethre. Damals hatte sie die Kinder des Dorfes – auch Enenfe – die Wirkungen der Heil- und Giftpflanzen gelehrt. Kinjo Utanti wurde sehr aufgeregt, als er sah, dass Sethre in ihrem unterirdischen Versteck von in den Lehmboden gekratzten Symbolen umringt war, die den durchgestrichenen Ovalen seines Traumes entsprachen. Enenfe sprach lange mit der Alten und versuchte dann, den anderen zu übersetzen.
    Â»Männer und Frauen von Dorf gehend in freiem Willen, als Fluss sterbend und Grün werdend zu Braun. Niemand sie zwingend, keine Kenekenkelu! Sie gehend zum Temé-Béku, um zu Wald betend, von oben aus, aus Ewignebel.«
    Â»Das verstehen wir nicht, Enenfe«, unterbrach Timbare so geduldig wie möglich. »Wer oder was ist Temé-Béku?«
    Â»Das Berg, tief in Wald, Kopf immer in Wolken, auch seit trocken. Ich Weg nicht kennend, nur Häuptlinge kennend. Aber Sethre nicht gehend. Sie viel zu … viel zu …«
    Â»Alt?«
    Â»Nein. Klug! Sie viel zu klug! Kenekenkelu in Irre, rasend! Dorf gehend in große Gefahr, Sethre nicht wollend. Sie bleibend.«
    Â»Was bedeuten die Zeichen, mit denen sie sich umgeben hat?«, fragte Kinjo.
    Enenfe sprach wieder kurz mit der Alten, die Kinjo daraufhin warmherzig anlächelte und ihn direkt ansprach. Dennoch musste Enenfe übersetzen. »Das Utté. Spinnen! Sethre sich schützend mit Wall aus Gemaltem.«
    Â»Spinnen? Sechs beinige Spinnen?«
    Â»Ja«, nickte Enenfe begeistert. »Sechsbeinig Spinnen! Sie überall jetzt, sagt Sethre. Sie Gatate essend und uns essend, nur nicht Sethre, weil in Schutz.«
    Â»Wir haben noch keine einzige sechsbeinige Spinne zu Gesicht bekommen«, knurrte Migal.
    Timbare kratzte sich die in Falten gezogene Stirn. »Kann Sethre uns die Richtung zum Temé-Béku zeigen?«
    Â»Das wird uns nichts nützen«, mischte Rodraeg sich ein. »Richtungen sind, wie wir gesehen haben, trügerisch hier drinnen. Aber wenn wirklich alle Gataten dieses Dorfes von hier aus nach dorthin aufgebrochen sind, wird es für Tjarka ein Leichtes sein, ihren Spuren zu folgen.«
    Â»Gut.« Timbare, der vor der Alten in die Hocke gegangen war, erhob sich wieder. »Dann scheint mir dies unser nächstes logisches Ziel zu sein. Ein Berg, der selbst in der Trockenheit noch Nebel trägt, das ist seltsam genug, um untersucht zu werden. Mit diesem Dorf hier haben wir außerdem nun eine Art Station, zu der wir Verwundete transportieren können oder welche von uns, die nicht mehr weiterkönnen. Wir schützen sie dann auch mit Sethres Zeichen und können sie bis zum Rückweg hierlassen. Das ging mir schon seit Tagen durch den Kopf: Was hätten wir eigentlich getan, wenn Selke Birlen nicht gleich tot gewesen wäre? Jetzt haben wir dieses Dorf als sicheren Ort.«
    Â»Wir haben keine Garantie dafür, dass Sethres Zeichen wirklich ein ausreichender Schutz sind«, gab Ijugis zu bedenken. »Immerhin ist sie die Einzige ihres ganzen Stammes, die darauf vertraut. Vielleicht irrt sie sich, und alle anderen haben recht?«
    Â»Sie ist immerhin eine Lehrerin«, argumentierte Kinjo. »Und das Symbol ist tatsächlich voller Macht, sonst hätte ich es nicht in meinen Träumen gesehen.«
    Â»Ich würde gerne«, sagte Rodraeg, an Enenfe gewandt, »von Sethre so etwas wie eine Abfolge der Ereignisse erfahren. Wann begann die Trockenheit? Ging dem Austrocknen des Flusses irgendein besonderes Ereignis voraus? Wann beschlossen die Gataten, den Berg aufzusuchen? Und warum sind sie alle gemeinsam gegangen, anstatt nur eine Abordnung zu schicken?«
    Auf Enenfes Bitte hin musste Rodraeg all diese Fragen noch einmal einzeln stellen, damit Enenfe sie übersetzen und Sethre sie nacheinander beantworten

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