Die Vergangenheit des Regens
konnte.
»Trockenheit beginnend mit Fluss. Fluss tot, von einem Tag auf anderes, Fische erstickend auf trockenem Grund. Sterben mit weit aufgerissend Mund. Das vor zwei mal zwei Monde schon. Kenekenkelu in Irre! Tötend viele Gatate, auch einige von Dorf, aber nie kommend in Dorf, nur tötend Jäger und Wasserholer. Wasserholer weit, weil Fluss tot. Utté überall! Utté fressend Kinder, wenn Mutter nicht aufpassend! Also Häuptling nehmend alle mit, weil auf Temé-Béku Wasser und keine Utté und keine Kenekenkelu. Dort in Sicherheit!«
»Doch Sethre bezweifelt dies.«
»Sethre sagend, Temé-Béku könnend seiend sicher, aber Weg dorthin wie Wandeln in Irre. Weg dorthin tötend!«
»Und der Berg trägt immer eine Nebelkrone?«, vergewisserte sich nun auch Timbare noch einmal.
Enenfe nickte. »Ewig. In eurer Sprache Temé-Béku heiÃend: der berauscht oder der blind.«
»Gab es denn irgendetwas AuÃergewöhnliches«, lieà Rodraeg nicht locker, »das sich vor dem Austrocknen des Flusses ereignet hat? Direkt davor oder einige Tage davor?«
Enenfe übersetzte, Sethre antwortete lächelnd, Enenfe übersetzte: »Wenige Sonngänge vorher weiÃer Mann kam durch Dorf. Heimlicher Mann.«
Rodraeg spürte, wie es ihm eiskalt den Rücken hinabrieselte. Ein weiÃer Mann? Heimlich ? Ein Heimlichgeher? Raukar? Aber vor vier Monden? Konnte das zeitlich überhaupt zu Raukars Aktivitäten für den Mann, der nicht geboren wurde passen?
Rodraeg versuchte, Enenfe Raukar so gut wie möglich zu beschreiben, und stellte dabei fest, wie schwierig das war. Raukars Gesicht entzog sich jeglichem Erinnertwerden, wahrscheinlich war dies ein Teil seiner Eigenschaften als Heimlichgeher , aber die ungefähre Statur konnte Rodraeg umreiÃen. So erfuhr er von Sethre, dass »ihr« weiÃer Mann deutlich gröÃer, jünger und kräftiger als Raukar gewesen war. Er hatte seinen Namen nie genannt, aber der Mann war herrisch und befehlsgewohnt aufgetreten und auf der Suche nach einem Ort durch das Dorf gekommen, den Sethre »die Königin Umsilika« nannte: eine Kolossalstatue früherer Völker, Teil einer tief im Wald verborgenen, längst verfallenen und überwucherten Tempelruine. Der weiÃe Mann war alleine gekommen und alleine weitergezogen, weil die Gataten den Standort der Tempelruine nicht kannten.
Diesmal war es Kinjo Utanti, der nachhakte, ob der WeiÃe irgendwelche Symbole bei sich getragen hätte, und tatsächlich konnte Sethre sich an eine Umhängetasche erinnern, auf der klein ein goldener Kamm auf blauem Grund aufgeprägt gewesen war.
Alle grübelten, bis Ijugis lachend herausplatzte: »Ein Kamm, das ist gut! Für die Gataten sieht das ScheiÃding wie ein Kamm aus! Aber es war natürlich unsere allseits beliebte Königskrone. Das königliche Wappen! Thada die Abgefeimte hat auch hier wieder ihre zarten, in Stutenmilch gebadeten Fingerchen mit drin.«
»Sie öffnet alle vier Quellen«, sagte der Erleuchtete schwärmerisch. »Bei den Affenmenschen das Feuer, vorher schon bei Terrek die Erde. Nun im Regenwald hat sie irgendwas mit dem Wasser angestellt, und wahrscheinlich hat das Gift in Chlayst mit der Luft zu tun.«
Rodraeg hatte inzwischen schon so viele Theorien über die vier Quellen gehört, dass er keiner einzigen mehr richtig Glauben schenkte. Auch wusste er, dass nicht die Königin, sondern Riban Leribin für das Vergiften von Chlayst verantwortlich zu machen war. Allerdings hatte auch Akamas in Warchaim von einem verdurstenden Wald gesprochen, der womöglich mit der Quelle des Wassers in Zusammenhang stand. Aber arbeitete nicht auch Akamas mit der Königin zusammen?
Manchmal wünschte sich Rodraeg, mit einer Art Löffel das allgegenwärtige Gebräu aus MutmaÃungen, Lügen, unzureichenden Informationen und Irrtümern so durchrühren zu können, dass etwas GenieÃbares und sogar Nahrhaftes dabei herauskam.
Timbare atmete tief durch. »Wir haben jetzt augenscheinlich zwei Ziele: die Statue der Königin Umsilika, wo womöglich alles Unheil seinen Anfang genommen hat, und den berauschten oder blinden Berg, wohin offensichtlich vieles sich wendet. Wir könnten uns in zwei Gruppen aufteilen, um Zeit zu gewinnen, aber ich weià nicht, ob das eine gute Idee wäre.«
»Ich bin dafür«, sagte Ijugis. »Ich gehe
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