Die Vergangenheit des Regens
Der Eingeborene druckste lange herum, sagte dann aber schlieÃlich: »Pfad nicht gut nun. Führend zurück zum groÃen Salzigwasser in weitem Bogen, nicht in Gebiet ohne Weinen.«
»Aber das kann doch gar nicht sein!«, widersprach Timbare energisch. »Wir halten weiterhin dieselbe Himmelsrichtung bei wie seit dem Verlassen von Bruder Attrik . Wir gehen weder einen Bogen noch zurück!«
»Dem Himmel nicht trauend!«, sagte Enenfe beinahe beschwörend. »Wir überschreitend Grenze von Fisch. Wir in Kenekenkeluland seiend, wo Himmel lügend und Boden mit Spinnen im Bunde. Wir in Falle seiend, wir ausbrechen müssend ohne Spinnen merken!«
»Ich verstehe kein Wort«, gab Timbare gereizt zu. »Verstehst du denn, was er redet?«
»Es ist wie auf dem Affenmenschenfeldzug«, sagte der Erleuchtete mit rotäugigem Lächeln. »Solange wir die Richtung beibehalten, die der Feind uns zu nehmen erlaubt, solange gehen wir ins Verderben. Auf dem Rückweg aus dem Affenland hatte unser neuer Anführer, Serian Gayo, den Gedanken, im rechten Winkel zu der Richtung weiterzugehen, in der die Heimat und die Sicherheit lagen. Das hat uns allen das Leben gerettet. Wir kamen zwar bei der Festung Carlyr heraus statt wie geplant bei Brissen, aber dort fand selbst das Fieber uns nicht wieder.«
Erneut musste Timbare bei Ijugis und Rodraeg Rat einholen. Ijugis sagte: »Vielleicht sollten wir tatsächlich Enenfe die Führung überlassen. Vielleicht. Aber sicher bin ich mir nicht.«
Alle sahen nun Rodraeg an. Der hatte einmal mehr das Gefühl, keine Meinung zu haben und also zu einem Ratschlag gar nicht befugt zu sein. Er war unglaublich erschöpft und zerschlagen. Die alten Insektenstiche juckten und schmerzten dunkelrot trotz Kinjos und Enenfes Salben, die schwüle Luft machte ihm das Atmen schwer, und er fühlte sich zu schwach, um überhaupt in einem dampfenden, morastigen Urwald herumzukrauchen. Auch in der Höhle des Alten Königs hatten ihn seine Gefährten schon mitschleppen müssen. Damals hatte er an den Folgen der Schwarzwachsvergiftung gelitten. Ihm war, als wäre er das ganze Jahr über entweder gefangen, vergiftet, niedergeschossen oder auf der Flucht gewesen. Und jetzt, in diesem unüberschaubaren Dschungel, der das Verdursten behauptete, aber den Ãberfluss und das Durchnässen zu praktizieren schien, forderte all dies seinen Tribut.
»Wie viele Tage von hier aus bis zum Trockengebiet?«, fragte Rodraeg schwer atmend den kleinen Gataten.
»Wie viel Sonngänge? Einen. Zwei allermeist.«
»In einer anderen Richtung als der, die wir bisher gehen?«
Enenfe nickte heftig. »Ganz anderes! Nach hierhin!« Er deutete wirklich beinahe im rechten Winkel von ihrem Pfad. Der Erleuchtete lachte auf, Timbare schüttelte den Kopf.
»Dann«, sagte Rodraeg mit schmerzverzerrtem Gesicht, »sollten wir uns ihm wirklich anvertrauen. Einen Tag lang, höchstens zwei.«
»Und wenn es sein Auftrag ist, uns von der Trockenheit fernzuhalten?«, hakte Timbare nach.
Rodraeg verzog wieder das Gesicht und massierte sich beide Schläfen. »Ich denke, wir haben einfach mehr zu gewinnen, als zu verlieren. Verlieren können wir höchstens Zeit. Gewinnen können wir jedoch, dass wir bald und ohne weitere Verluste ans Ziel kommen.«
Timbare fragte noch Kinjo um Rat. Der war ebenfalls dafür, Enenfes Vorschlag zu folgen. Also war es beschlossen. Der kleine Gatate aus dem Delphiordorf Bruder Attrik sollte am folgenden Morgen die Führung übernehmen. In der Nacht tanzte Kinjo bis zur Erschöpfung, blieb aber erneut ohne Traum. Ein Affe, der beinahe menschengroà war, streifte durchs Gebüsch und wurde von den Wachhabenden Migal und Tegden vertrieben. Eine giftige Spinne krabbelte über Ukas Nouis und wurde von Tjarka weggefangen und in den Busch zurückgebracht. Von Spinnenmenschen war weiterhin nichts zu sehen.
Der fünfte Tag im Regenwald brachte neuerliches Jagdglück, Insektenschutzsalbe nun auch für Timbare, Kinjo und Enenfe sowie einen Zusammenstoà mit einer Rotte langbeiniger Mähnenparder, die aufgeregt ihre gepunktete Nachkommenschaft beschützte, jedoch weiträumig umgangen werden konnte.
Enenfe führte, und Timbare und Kinjo bahnten ihm mit ihren Messern einen Weg. Bestar legte nun endlich unter dem Schutz von Enenfes Salbe seine Segmentrüstung ab und trug sie
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