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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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und die Bewegungen einiger träger Tukane mit einzubeziehen, das Trudeln vertrockneter Blütenblätter aus höher gelegenen Baumregionen, knisternde Ameisenstraßen, Flechten, die Muster auf Baumrinden malten, und Schmetterlinge, deren Unterseiten ganz anders gefärbt waren als ihre Oberseiten, sodass sie beim Flattern fortwährend zwischen zwei Identitäten zu wechseln schienen. Tjarka schien zu verfolgen – nicht, indem sie sich konzentrierte, sondern indem sie sich ausdauernd zerstreute. Timbare, Kinjo und die anderen staunten, aber Bestar bekräftigte jedem, der zweifelte, dass Tjarkas Fähigkeiten echt und schon mehrmals erprobt seien. Im Thostwald hätten sie sich so zurechtgefunden, in Warchaim wären sie genau so einer Mörderin auf die Schliche gekommen, und jenseits von Warchaim hätte Tjarka das verborgene Versteck der Riesen gefunden, indem sie einfach Rodraegs bereits Tage alter Fährte gefolgt war.
    Tjarka selbst machte einen sicheren Eindruck und folgte dem Pfad, den der Mann mit dem königlichen Wappen eingeschlagen haben musste.

    Mit Beginn der Abenddämmerung stießen sie auf ein Hindernis. Von links nach rechts kreuzte eine weitere Ameisenstraße ihren Weg – aber dies war die gewaltigste Ameisenstraße, die jeder von ihnen jemals zu Gesicht bekommen hatte. Es musste sich um Millionen und Abermillionen von Tieren handeln. Die wimmelnde, schwarz glänzende Straße war vier bis fünf Schritte breit und in beiden Richtungen kein Ende abzusehen. Die winzigen Beine auf dem trockenen Bodenlaub erzeugten ein beständiges Rascheln.
    Â»Der Fluss führte kein Wasser mehr«, raunte der Erleuchtete, »aber dafür bilden sich nun auf dem Land Ströme aus Insekten.«
    Kinjo hatte sich am Rande der Ameisenstraße hingehockt und betrachtete das zielstrebig nach rechterhand flutende Gewimmel der etwa fingernagelgroßen, rot-schwarz gestreiften Tiere. »Ich glaube, ich verstehe jetzt«, sagte er leise. »Sechsbeinige Spinnen – das sind Ameisen! Wenn alle anderen Tiere vor der Trockenheit nach draußen fliehen, übernehmen vielleicht die Ameisen die Herrschaft in diesem Teil des Waldes. Vielleicht hat Sethre sich vor denen geschützt, um nicht überrannt und gefressen zu werden. Ich würde wirklich davon abraten, dass wir versuchen, einfach durch diese Straße hindurchzugehen.«
    Â»Sollen wir springen?«, fragte Ijugis, der sich den Schweiß abwischte. »Vier Schritte weit müsste eigentlich jeder von uns hüpfen können, selbst Enenfe.«
    Â»Zu riskant«, befand Timbare. »Wenn einer beim Anlaufnehmen ausrutscht und genau in die Ameisen reinschlittert, weiß ich nicht, was mit ihm passiert und wie wir ihn dann wieder rausbekommen sollen. Wir müssen diese Straße entweder umgehen, was ziemlich aufwendig werden kann, oder« – mit den Augen suchte er eine für seinen Plan geeignete Stelle – »wir überklettern sie. Da hinten stehen zwei Bäume recht günstig auf beiden Seiten. Wir klettern auf den einen Baum rauf bis zu seinen Ästen, dann über die Äste auf den anderen Baum und dort wieder hinunter. Die Äste sehen stabil genug aus, um unser Gewicht zu tragen, wenn wir einzeln klettern.«
    Â»Und wenn die Bäume auch voll von diesen Krabbelviechern sind?«, zweifelte Ijugis. »Also, ich würde lieber springen.«
    Â»Kommt, wir sehen uns die Bäume genauer an!« Timbare ging voran, und die anderen folgten ihm. Auf den Bäumen waren ebenfalls Ameisen, aber es waren nur einzelne Kundschafter, die die Randbereiche der Straße erforschten.
    Â»Ich weiß, es hört sich seltsam an, aber wir sollten versuchen, keine einzige Ameise zu töten«, mahnte Kinjo. »Auch nicht aus Versehen! Es könnte die ganze Straße, ja, den ganzen Wald gegen uns aufbringen.«
    Â»Ich gehe voran«, kündigte Timbare kurz entschlossen an und begann auch schon, die rissige Rinde aufwärtszusteigen und sich ins Geäst zu klimmen. Dabei achtete er tunlichst darauf, keine der Ameisen im Baum zu zertreten. Eine krabbelte über seinen Handrücken, aber er pustete sie sanft hinab auf die Straße. »Ich werde ein zusätzliches Seil anbringen, dann dürfte das Steigen von Baum zu Baum kein Problem mehr sein«, kommentierte Timbare seine Aktionen. »Kinjo ist ebenfalls ein guter Kletterer. Er geht als Letzter und bringt das Seil dann

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