Die Vergangenheit des Regens
wieder mit.« Die anderen beobachteten, wie Timbare geschickt ein Seil durch die Ãste flocht und dann â stellenweise an den Armen schwingend wie ein leibhaftiger Baumbewohner â behände auf den anderen Stamm überwechselte. Dort seilte er sich ab, um die Baumameisen nicht zu stören. »Weniger schwierig als unsere bisherigen Klettereien im Gelände«, konstatierte er abschlieÃend. »Kommt jetzt einzeln, und achtet auf die Kundschafterameisen!«
Ijugis kletterte als Nächster, dann Onouk, Ukas, Jacomer, Migal und der Erleuchtete. Tegden wollte den anderen den Vortritt lassen, also setzte Tjarka die Reihe fort. Sie hatte keinerlei Probleme in den Bäumen und schwang ebenfalls an ihren Armen an den Ãsten entlang wie ein Ãffchen, ohne das Sicherungsseil überhaupt zu benutzen. Rodraeg zauderte, aber Bestar schob ihn aufmunternd an. Also enterte Rodraeg auf. Von oben herab auf die aus unzähligen Leibern zusammengesetzte StraÃe zu blicken war ein seltsames Gefühl. Rodraeg sah sich tatsächlich straucheln, stürzen und binnen Sandstrichbruchteilen in hunderttausend Teile zerlegt und abtransportiert werden. Aber er fasste sich ein Herz und scheuerte sich beim Abseilen ein wenig die Handflächen wund, so sehr beeilte er sich, alles hinter sich zu bringen.
Bestar dagegen war sehr, sehr langsam. Er achtete am peinlichsten von allen darauf, keine Ameisen zu berühren. Gerade weil er neben Migal und Ukas der schwerste und klobigste von allen war, gab er sich besonders viel Mühe, keinen Schaden anzurichten. Nach einer unendlich scheinenden Viertelstunde erst hatte er die wenigen Schritte Distanz überwunden. Zum Abschluss folgten Tegden, Enenfe und Kinjo, der das Seil wieder mitbrachte und wie vor ihm Timbare und Tjarka verwegen an den Armen durchs Geäst hangelte.
Die AmeisenstraÃe war überwunden. Jenseits von ihr folgte Tjarka weiter der unsichtbaren Fährte des Mannes, der im Zeichen der Königin eine andere Königin suchte.
Sie wollten noch ein oder zwei Stunden weitergehen, bis die Dunkelheit vollkommen war. Tjarka sagte, sie bräuchte kein Licht zum Verfolgen der Fährte, aber alle anderen â nicht nur Ukas â brauchten zumindest einen Nachglanz der Sonne, um beim Gehen nicht andauernd zu stürzen. Der Wald ringsum war nun trocken und rau. Der Wind roch nach Staub, Zimt und süÃlicher Verwesung. Jegliches Feuermachen und Funkenschlagen wurde den Expeditionsmitgliedern nun von Timbare und Ijugis untersagt. »Wenn hier im Trockenbereich ein Feuer ausbricht, dann breitet es sich schneller aus, als ein Vogel fliegen kann«, veranschaulichte Timbare. »Mein Vater hat mir einmal von einem Buschfeuer in den Ausläufern unseres Regenwalds erzählt. So in etwa stelle ich mir das Aufblitzen und dann rasende Ausbreiten der Quelle des Feuers vor, von der der Erleuchtete immer erzählt.«
Rodraeg fiel auf, dass er es die bisherigen sechs Tage über versäumt hatte, den Erleuchteten und Tegden Baudo ausführlich nach ihren Erfahrungen beim Affenmenschenfeldzug zu befragen. Der Erleuchtete verkündete zwar andauernd Unheimliches und Legendenhaftes, aber vielleicht waren aus Tegden nüchternere Beschreibungen der Geschehnisse herauszubekommen.
Plötzlich hörte Rodraeg ein eigenartiges Geräusch â ein mehrstimmiges Schwirren wie von Kolibris. Vor ihm warfen Ukas, Kinjo und Enenfe die Arme in die Höhe und stürzten in unterschiedlichsten Haltungen gleichzeitig zu Boden. Ijugis, Migal, Tegden und Onouk zückten Waffen und blickten sich wild um. Das Schwirren setzte sich fort und wurde von einer Art Prasseln untermalt. Der mit vertrocknetem Laub verkleidete und von ausgemergelten Schlingpflanzen verhängte Dschungel ringsum begann zu brodeln, wie unter Regen zu vibrieren. Ijugis stürzte, rappelte sich noch einmal auf, brach dann zusammen, das Gesicht verzerrt und krebsrot. Dann fiel auch Timbare. Jacomer. Rodraeg sah plötzlich die nackte Erzklinge Skergatlus vor seinen Augen, als Bestar ihn knurrend hinter sich zerrte und ihn mit seinem massigen Körper gegen einen Angriff abzuschirmen suchte, der von überall gleichzeitig zu erfolgen schien, auch von oben aus den Wipfeln und von unten aus dem Boden. Dann sackte Bestar langsam auf die Knie. Rodraeg packte ihn und starrte in sein wie geisteskrank sabberndes Gesicht. »Bestar! Was ist denn nur los? Was ist denn nur â¦?« Der
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