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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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das Wasser in die Augen schoss, war Tjarka fest entschlossen, alle weiteren Fackeln, die noch nach ihr geworfen würden, ebenfalls mit bloßen Händen abzufangen, um eine Katastrophe abzuwenden.
    Die Kenekenkelu schienen wie erstarrt. Lediglich die Flammen lebten. Dann machten die verbliebenen fünf Fackelträger alle gleichzeitig dieselbe einprägsame Bewegung: Mit einem Fuß kratzten sie Erdreich frei und rammten dann die Fackeln in den Boden, bis die Schatten aus den Bäumen die gesamte Szenerie mit ihrer Undurchdringlichkeit in Besitz nahmen.
    Für die auf das Fackellicht eingestellten Augen Tjarkas und Tegdens war nun überhaupt nichts mehr zu sehen. Himmel und Erde und Urwald waren sternenlose, heiße Schwärze. In die Spinnenmenschen jedoch kam Bewegung. Schnatternd und wie Störche klappernd, gleich Schlangen zischend und ähnlich Tauben tiefe Gurrlaute hervorpressend, zogen sie sich in den umliegenden Wald zurück, bis Tegden und Tjarka alleine waren mit den zehn grünen Bündeln.
    Tjarka pustete gegen ihre Hände, um die Versengungen zu lindern. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Tegden besorgt.
    Tjarka nickte. »Schweiß brennt schlecht«, sagte sie nur. »Ich bin nur noch Schweiß und Zittrigkeit.«
    Tegden klopfte ihr anerkennend auf die Schulter und näherte sich den zehn Bündeln. Er wollte dem Frieden nicht so recht trauen, schließlich konnte es sich auch um eine List der Spinnenmenschen handeln, und jeden Augenblick würden sie wieder aus dem Unterholz hervorbrechen. Doch er erreichte die Bündel, und alles blieb ruhig.
    Tjarka schloss zu ihm auf und murmelte: »Wahrscheinlich kennen sie das gar nicht: Trockenheit und Waldbrand. Sie können nicht so verrückt sein, das heraufzubeschwören.«
    Â»Versuch gar nicht erst, sie zu verstehen. Hilf mir lieber, sonst ersticken unsere Leute noch!«
    In der Tat waren die zehn Gefangenen nicht nur übertrieben gut gefesselt, sondern auch so dick mit grüner Paste beschmiert, dass sich an ihren Nasenlöchern und Mündern Luftblasen aufwarfen. Nur anhand ihrer Körpergröße waren überhaupt Unterschiede zwischen ihnen zu erkennen. Der kleine Jacomer und die weiblich-kurvige Onouk waren am besten auszumachen, aber Ukas und die beiden Klippenwälder sahen gleich aus.
    Auf der Lichtung waberte noch immer der Rauch der erstickten Fackeln. Die grüne Paste stank scharf nach Essig und Zucker. Tjarka und Tegden legten mithilfe von Ästen und vergilbtem Blattwerk alle zehn Gesichter frei, damit die Gefesselten atmen konnten. Wie es aussah, waren sie alle noch am Leben, aber samt und sonders bewusstlos.
    Wer fehlte, war Enenfe.
    Â»Mir war so, als hätte ich ihn fallen sehen, gleich zu Beginn des Angriffs, zusammen mit Kinjo und Ukas«, fasste Tegden zusammen. »Aber vielleicht war er nur angeschossen und konnte sich in Sicherheit bringen.«
    Â»Oder er macht mit den Angreifern gemeinsame Sache«, raunte Tjarka mit düsterem Gesichtsausdruck. »Seitdem er uns nicht mehr führen durfte, kam er mir seltsam und verschlossen vor.«
    Â»Ich nicht machend!«, sagte plötzlich eine Stimme, und Enenfe kam auf allen vieren aus einem besonders dichten Gebüsch hervorgekrochen. »Pfeile kommend, ich mich hinwerfend! Dann kriechend in Sicherheit klein, von Kenekenkelu übersehend. Enenfe nichtig! Nur in Augen von Delphior bedeutend!«
    Tjarka blickte dem Gataten misstrauisch entgegen, Tegden Baudo lächelte jedoch. »Hilf uns, die Fesseln zu lösen, Enenfe! Diese vierbeinigen Spinnen sind wahre Meister der Knüpfkunst.«
    Â»Gefahr noch nicht vorüber!«, beschwor dieser. »Ihr nicht hörend Wispern von Wald, wie Regen, aber ohne Nass?«
    Tegden und Tjarka lauschten kurz, konnten aber nichts hören.
    Â»Kenekenkelu Timba-ré und Männerfrauen von Timba-ré nicht ohne Absicht hier liegen lassend! Ihr nicht gehört habend Gesang? Die Utté kommen! Wir uns beeilend!«
    Â»Wer oder was sind denn diese Utté, von denen immer wieder die Rede ist?«, beharrte Tegden.
    Â»Ihr sie sehend! Wir gehend über Bäume, um Fluss von Utté brückend!«
    Tegden begriff noch immer nicht, aber Tjarka wurde nun plötzlich alles klar: »Die Ameisen, Tegden! Unsere Freunde sind Opfer für die Ameisen! Das grüne Zeug, der Gesang, vielleicht auch die Fackeln und der Rauch lockt die Ameisenstraße hierher, die wir

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