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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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gelang Tegden Baudo, an den vordersten der Spinnenmenschen heranzuschleichen, ohne ein Geräusch zu verursachen oder anderswie Aufmerksamkeit zu erzeugen. Dann folgte ein kurzes Gerangel, das Tjarka nicht genau erkennen konnte. Ein ganz leises Rasseln, ein noch leiseres Pfeifen, wie von entweichender Luft. Dann war es vorüber. Verrenkt und im Tod nicht weniger erschreckend aussehend als im Leben lag der Spinnenmensch am Boden. Immer noch wusste Tjarka nicht, welche Waffe Tegden benutzte, aber die Wunde des Kenekenkelu sah aus, als wäre ihm die Kehle durchgeschnitten worden.
    Â»Hätte es nicht ausgereicht, ihn einfach nur bewusstlos zu schlagen?«, fragte Tjarka undeutlich.
    Â»Das macht zu viel Krach. Bewusstloswürgen auch. Es geht nicht anders. Wir müssen so weitermachen.«
    Â»Was für eine Waffe benutzt du eigentlich?«
    Tegdens Gesicht zeigte ein beinahe trauriges Lächeln. »Ich habe keine. Ich halte es da ganz ähnlich wie euer Anführer Rodraeg. Eine bestimmte Waffe zu tragen engt einen ein auf die Handhabung dieser ganz bestimmten Waffe. Also nehme ich, was sich bietet. Und im Moment ist das nichts anderes als die kleine Klappklinge, mit der ich mich normalerweise rasiere.«
    Tjarka schauderte, aber sie nickte tapfer, während Tegden den Toten untersuchte. Tjarka wollte ihn nicht berühren, seine Nacktheit war zu widerwärtig.
    Â»Hier sind Pfeile und ein winziges Blasrohr«, wisperte Tegden. »Wollen wir es damit versuchen?«
    Â»Ich weiß nicht. Was, wenn es nicht klappt? Außerdem: Wirkt es denn schnell genug, dass die Getroffenen keinen Alarm geben können? Unsere Leute sind doch auch nicht sofort zusammengebrochen, sondern konnten sogar noch angreifen, der Erleuchtete zumindest.«
    Â»Wir wissen nicht, ob der Erleuchtete überhaupt getroffen wurde. Vielleicht ist es auch wichtig, wo man getroffen wird. Ich kann mir vorstellen, dass der Hals eine gute Stelle ist, um jemanden mit Gift schnell auszuschalten. Das Problem ist, keiner von uns beiden kann mit dem Blasrohr gut genug umgehen, um sicher einen Hals zu treffen. Ich fürchte, ich werde weiterhin … rasieren müssen.«
    Â»Dann gib mir das Blasrohr und die Pfeile. Wenn bei dir etwas schiefläuft, kann ich mit den Pfeilen vielleicht noch Schaden und Verwirrung anrichten.«
    So machten sie es. Tegden tötete zwei weitere Spinnenmenschen, während Tjarka mit dem bitter schmeckenden Blasrohr zwischen den Lippen im Hintergrund Wache hielt. Doch dann ging es nicht mehr weiter. Zum einen hatten sie sich nun zum Lichtschein der Fackeln vorangearbeitet, und zum zweiten wurde weiter hinter ihnen das Verschwinden eines der Wächter entdeckt, und es kam schnatternde Unruhe in die vierbeinigen Eingeborenen. Der Gesang und die seltsamen Tanzbewegungen brachen ab. Die Fackelträger hoben witternd ihre Lichter. Die zehn mit grünem Schleim überzogenen Bündel auf dem Boden rührten sich nicht. Dafür regte sich weiter hinten in der Finsternis der Wald. Etwas wisperte dort, brauste verhalten wie die vorderste Welle einer verlangsamten Brandung.
    Für einen Augenblick hatte Tjarka das Gefühl, auf allen Seiten von schnatternden Spinnenmännern umzingelt zu sein. Selbst oben in den Wipfeln schienen neue zu wachsen wie knorrig wurzelige Früchte.
    Dann schrie einer der Fackelträger auf, deutete genau in Tjarkas und Tegdens Deckung – und schleuderte seine Fackel auf die beiden!
    Tjarka konnte es nicht fassen. Waren diese Spinnenmenschen denn vollkommen wahnsinnig? Hatten sie noch nie etwas von Waldbrandgefahr bei Trockenheit gehört? Allein schon der Funkenflug der rotierend fliegenden Fackel konnte Laub und dürres Gras entzünden und ihrer aller sicheren Tod herbeiführen!
    Sie handelte, ohne nachzudenken. Während Tegden hinter einem Baum in Deckung ging, machte Tjarka anderthalb Schritte auf die fliegende Fackel zu und fing sie aus dem Flug. Funken sprangen gegen ihre Brust und zerbarsten knisternd kinnaufwärts. Dabei verbrannte sich Tjarka beide Hände, aber ihre Bewegungen waren so schnell und geschickt, dass sie das Holz zum nicht lodernden Ende herumwenden konnte, mit dem Fuß währenddessen brennbares Material vom Boden wegscharrte und die Fackel dann so tief ins weiche, frei gekratzte Erdreich rammte, dass die Flamme rauchend abstarb. Dann erst bekam sie mit voller Wucht den Schmerz aus den Händen zu spüren. Aber obwohl ihr

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