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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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war dies innerhalb nur weniger Monde schon der zweite Wald des Kontinents, der seine Seele und seine Nachvollziehbarkeit eingebüßt zu haben schien. Was für eine Krankheit hatte die Welt befallen?
    Als sie den oberen Rand beinahe erreicht hatte und ihre Bewegungen immer langsamer, argwöhnischer und lautloser wurden, streckte sich ihr plötzlich von oben herab ein Arm entgegen. Es war ein weißer Arm. Sie ergriff ihn nicht. Tjarka Winnfess war kein Mensch, der schnell Vertrauen fasste.
    Dann schob sich Tegden Baudos Gesicht oberhalb des Armes über die Abbruchkante. Tjarkas Herz hüpfte schmerzhaft. Sie war doch nicht ganz allein! Noch einem war das Entkommen gelungen!
    Sie ergriff Tegdens Hand und ließ sich von ihm lautlos über die Kante ziehen. Während sie ihn musterte und darüber staunte, dass er überhaupt keine Blessuren aufzuweisen schien, bedeutete er ihr, leise zu sein. Dann verlagerten sie gemeinsam ihre Position. Von dem Abhang weg. Tiefer in das spröde und filzige Dickicht hinein.
    Als sie einigermaßen gut verborgen nebeneinander in einer überwucherten Mulde kauerten, erklärte der junge Gallikoner ihr die Situation. »Soweit ich das überschauen konnte, handelt es sich jetzt noch um etwa zwanzig Spinnenmenschen. Sie sind unruhig, weil ich auf meiner Flucht zwei von ihnen töten musste und ihre Leichen verborgen habe. Sie wissen also, dass etwas nicht stimmt.«
    Â»Wie konntest du entkommen? Ich war ganz vorne, aber du warst doch mitten im Pulk …?«
    Tegden Baudo lächelte geringschätzig. »Die müssen schon schneller schießen, um mich mit ihren lächerlichen Blasrohren treffen zu können. Außerdem sind die Pfeile so bunt geschmückt, dass selbst ein Halbblinder sie rechtzeitig erkennen könnte.«
    Â»Für alle anderen hat’s aber gereicht. Oder sind außer uns noch welche davongekommen?«
    Mit zusammengepressten Lippen schüttelte Tegden den Kopf. »Der Erleuchtete ist immerhin bis zum Feind vorgedrungen und hat einen von ihnen niedergemacht, doch dann haben sie auch ihn zu den anderen zurückgeschleppt. Die Kenekenkelu sind aufgebracht und schnattern hektisch, aber noch haben sie keinen von uns getötet. Sie haben etwas anderes vor.«
    Â»Was denn?«, fragte Tjarka bang.
    Â»Wenn ich das wüsste! Ich bin dir nachgegangen, weil ich den Krach gehört habe, den du im Wald gemacht hast. Das kann nur einer von uns gewesen sein, dachte ich mir.«
    Tjarka wurde rot, weil sie sich in ihrer Waldführerehre getroffen sah. »Ich habe diesen blöden Abhang nicht kommen sehen«, murmelte sie kleinlaut.
    Â»Macht ja nichts. Keiner von uns kennt sich hier aus. War ja vielleicht Glück für dich, dass da überhaupt ein Abhang war. Seltsamerweise verfolgen sie uns aber nicht weiter. Was immer sie vorhaben, scheint auch zeitkritisch zu sein.«
    Â»Zeitkritisch?« Diesen Begriff hatte Tjarka noch nie gehört.
    Â»Ja. Lass uns näher ranrobben! Sie tun irgendetwas mit unseren Leuten, und sie brauchen sie dazu lebend. Vielleicht können wir einen Plan entwickeln, wie wir die zwanzig vierbeinigen Gestalten loswerden können.«
    Vorsichtig krochen sie wieder näher an die Stätte des Überfalls heran. Das ging quälend langsam, aber jetzt, wo Tegden bei ihr war und etwas Ähnliches wie einen Überblick über die Lage zu besitzen schien, hatte Tjarka nicht mehr ganz so viel Angst. Ihr Herz hatte beschlossen, Tegden zu vertrauen, noch bevor ihr Verstand dies begriff.
    Es dunkelte zusehends. Die Schatten wurden länger und tiefer und flossen dann zu Dunkelheit ineinander wie angestochene Weinschläuche. Die Spinnenmenschen konnte Tjarka erst erkennen, als diese Fackeln entzündeten. Tjarka erschrak. Offenes Feuer! Bei dieser Trockenheit? Wollen die Spinnenmenschen alles in Brand setzen?
    Sechs der vierbeinig kauernden Gestalten trugen Fackeln. Die anderen arrangierten verschnürte Bündel auf einer platt getretenen Lichtung. Tjarka zählte zehn solcher Bündel. Sie wollte in Gedanken die Teilnehmer ihrer Expedition durchzählen, war aber zu aufgebracht dazu und verzählte sich andauernd. »Sind das unsere Leute?«, fragte sie Tegden bang.
    Â»Ja. Ist aber schwer zu erkennen, wer wer ist. Sieht aus, als wären sie alle mit grünem Sirup verschmiert.«
    Â»Was soll das alles? Was können wir machen?«
    Â»Einer fehlt. Müssten es nicht

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