Die Vergangenheit des Regens
höflich auf, alles, was es über die Münze zu erzählen gab, mitzuteilen. So erzählte Rodraeg noch einmal von dem Bettler am Lairon See, von dem Namen Sternenwährung , den die Riesen der Münze gegeben hatten, von Darnocks Behauptung, die Münze sei eine Fälschung, und von Rodraegs eigenen fruchtlosen Versuchen, sich vermittels der Münze Regen herbeizuwünschen.
Der Erleuchtete murmelte etwas davon, dass die Affenmenschen auch mit Münzen behängt gewesen seien, um ihre Verachtung gegenüber den Werten der Menschen Ausdruck zu verleihen.
Timbare übergab die Münze feierlich an Kinjo, den Geistertänzer. Kinjo nahm sie an sich und absolvierte in dieser Nacht fernab des Lagers einen einsamen, schweigsamen Tanz.
Bestar meldete sich freiwillig zum Wachehalten.
Tjarka leistete ihm Gesellschaft.
Rodraeg schlief schnell ein. In seinen Träumen taten sich Ryot Melron und Timbare zusammen, um ihn zu verprügeln, aber er hielt ihnen irre grinsend einen abgetrennten Kinderkopf entgegen, und sie flüchteten in einen schweiÃnass tropfenden Urwald.
Am folgenden Morgen befragte Timbare Kinjo nach den Ergebnissen seines Tanzes. Kinjo sagte, die Münze sei nicht magisch, kein Werkzeug, kein Schlüssel, ja, nicht einmal von austauschbarem Wert. Sie sei wie ein leeres GefäÃ, in das jeder seine Wünsche gieÃen könnte.
Bei diesen Worten tastete Rodraeg nach dem leeren Glasgefäà in seiner Tasche, dem einzigen Vermächtnis Riban Leribins. Es war nach allen Stürzen und Fehlschritten immer noch unzerbrochen. Riban hatte gesagt, dass es sehr schwer kaputt zu bekommen sei.
Timbare rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. »Also, ich fasse zusammen: Der Schatzfinder hat die Ameisen aus ihrem Schlummer geweckt. Die Ameisen fressen dieses Artefakt, den Larvenstein , werden dadurch mächtig und stacheln die sie anbetenden Spinnenmenschen, die in Wirklichkeit Ameisenmenschen sind, zu ungewohnter Geschäftigkeit an. Ich würde sagen: Die Ameisen sind jener geheimnisvolle Utté , der mit der Trockenheit den Wald in Besitz nahm, die Umkehrung des Schutzgeistes Ettú , also möglicherweise ein zerstörender statt aufbauender Gott. Vielleicht haben die Ameisen sogar selbst die Trockenheit verursacht. Zumindest könnte das vom Zeitablauf her passen. Aber wie haben sie das angestellt? Gab der Larvenstein ihnen Macht über den Himmel? Das ist mir immer noch ein völliges Rätsel. Tatsache ist: Die Gataten sind vor den Ameisen und den Ameisenmenschen geflüchtet, und zwar zum Berg Temé-Béku. Weshalb? Weil sie sich dort Schutz erhofften? Oder weil in der Nebelkrone dieses Berges der Regen dieses Waldes gefangen ist und die Gataten ihn freisetzen wollen, um die Ameisen zurückzuschwemmen in ihre unterirdischen Behausungen? Wie dem auch sei: Es gibt kein anderes logisches Ziel für uns als diesen Berg. Wir werden dort Antworten finden. Und wenn nicht Antworten, dann zumindest weitere Fragen.«
Aus allen Gesichtern, auÃer vielleicht aus denen des Erleuchteten und Tegden Baudos, sprach unsägliche Erschöpfung. Dennoch brachen sie auf.
5
Das Töten
Sie benötigten fünf Tage, bis sie dem berauschten Berg erstmals unverstellt ins Angesicht blicken konnten.
Während dieser Tage gingen ihre Wasservorräte rapide zur Neige. Timbare führte zwar ein rigides Rationierungssystem ein â nachts Wachende erhielten geringfügig mehr Wasser als nachts Schlafende, weshalb sich bald alle um die Nachtwachen zu balgen begannen â, aber ohne Nachschub zehrten auch die Gedanken an Durst, die Furcht vor dem Durst, die Gedanken an die Furcht und die Furcht vor den Gedanken zusätzlich an den Kräften. Das einzige Nass, das es in Mengen gab, war SchweiÃ. Tegden und der Erleuchtete, beide entbehrungserfahren, begannen damit, heimlich ihren eigenen Harn aufzufangen und zu trinken, um damit den Rest der Gruppe zu entlasten.
Zweimal während dieser fünf Tage mussten sie AmeisenstraÃen kreuzen.
Die erste wimmelte von derselben Art Ameisen, der sie von den Kenekenkelu beinahe geopfert worden wären. Zwei Meilen mussten sie am Rande dieser Bahn entlanggehen, bis sie einen umgestürzten Baumstamm fanden, auf dem balancierend sie die lebendige StraÃe überqueren konnten. Dieser Baumstamm wiederum war morsch und spröde. Ukas und auch Ijugis stürzten beinahe von ihm ins Ameisengewimmel. Ukas wurde von
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