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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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die Luft war voller Dreck, und bei jedem Atemzug drang beißender Staub in ihre Lunge. Panisch versuchte sie sich freizukämpfen, doch sie steckte fest. Ein hölzerner Schrank lag über ihren Beinen und hielt sie gefangen. Sie wusste instinktiv, dass der Träger endgültig umkippen und sie zermalmen würde, wenn die Ruine noch einmal in Bewegung geriet. In der Dunkelheit begann Cara zu wimmern. Sie hörte, wie das Eisen unter dem Gewicht des Schutts knirschte. Sie hatte Todesangst. Wie sollte sie hier nur herauskommen?
    »Cara?«
    Dannys Stimme erreichte sie von oben. Sobald Cara sie hörte, merkte sie, wie sie neuen Mut fasste.
    »Ich bin hier unten!«
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, aber …« Sie versuchte sich noch einmal zu bewegen. »Aber ich klemme fest. Ich komme nicht raus.« Sie hörte das Beben in ihrer Stimme und schämte sich dafür.
    Doch Danny sprach ihr Mut zu. »Keine Angst. Ich hole dich.«
    Bei jedem anderen hätte sich das nach gespielter Tapferkeit angehört. Aber Cara vertraute Danny zutiefst, und die Tatsache, dass er bei ihr war und sie zu retten versuchte, beruhigte sie sofort. Es war stockfinster, um sich herum konnte sie kaum etwas erkennen. Doch sie hörte, wie er sich durch die Dunkelheit tastete: wie er über den Schutt kletterte, wie er keuchte und wie er fluchte, als er zwischendurch ausrutschte.
    Wenig später war er an ihrer Seite, ein Schatten in der Dunkelheit.
    »Hast du dich verletzt?«, wollte er als Erstes wissen.
    Ihr tat alles weh, aber sie hatte nicht das Gefühl, dass sie sich etwas Schlimmes getan hatte. »Nein, eigentlich nicht.«
    »Gut.« Seine knappen Worte duldeten keinen Widerspruch. »Ich versuche mal, das Ding hier hochzuheben.«
    Sie spürte, wie seine Hände unter den Schrank glitten, und biss die Zähne zusammen, als er das Möbel anzuheben versuchte. Sobald er die eine Seite anhob, drückte die andere noch fester auf ihre Beine, und ihr entkam unwillkürlich ein leises Wimmern. Augenblicklich hielt Danny inne.
    »Tue ich dir weh?«
    Cara ballte die Fäuste und zwang sich zu antworten: »Nicht so schlimm. Es geht schon.«
    Danny war zwar stark, doch er war erst zehn Jahre alt, darum musste er den Schrank mehrmals verrutschen und anheben, bis er ihn schließlich von Caras Bein heben konnte.
    Er kniete neben ihr nieder. »Kannst du aufstehen?«
    Sie versuchte es, aber das Knie tat zu weh. »Nein«, sagte sie, und sofort schnürte ihr ein neuer Anflug von Panik die Kehle zu.
    Er lächelte sie zuversichtlich an, und seine Zähne leuchteten weiß in der Dunkelheit. »Keine Angst. Ich weiß schon, wie wir dich hier rauskriegen.«
    Inzwischen waren die anderen Jungen Danny nachgefolgt und standen oben um die Öffnung herum. Danny befahl ihnen, sich an den Rand zu stellen und Cara hochzuziehen, sobald er sie von unten hochhob. Nachdem er sich überzeugt hatte, dass sie wohlbehalten draußen war, zog er sich selbst aus dem Loch. Gestützt von Olly und Danny humpelte Cara zusammen mit den anderen Jungen in Sicherheit. Sie waren keine zehn Schritte weit gekommen, als das Gebäude laut ächzend in sich zusammensackte.
    Die Bande drehte sich um und blickte mit offenem Mund auf das Loch in der Straße. Cara hatte sich als Erste wieder gefangen. Sie sah mit großen Augen zu Danny auf und verkündete in einer Mischung aus Ehrfurcht und Bewunderung: »Du hast mich gerettet!«
    Dann hob Danny sie wie ein richtiger Märchenprinz auf seine Arme und trug sie nach Hause.
    Franny war entsetzt, als sie ihre Tochter heimkommen sah. Cara war staubbedeckt, ihr Bein war blutig, und es machte die Sache nicht besser, dass sie hysterisch heulte und Franny darum nicht feststellen konnte, wie schwer sie wirklich verletzt war. Erst als sie in der großen Eisenbadewanne in der Küche der Connollys den gröbsten Schmutz abgewaschen hatte, erkannte sie, dass ihre Tochter nur einen Kratzer abbekommen hatte, und zwar eine kleine Narbe, aber kein bleibender Schaden zurückbleiben würde.
    »Du dummes Ding!«, schimpfte Franny, während sie das Knie verband. »Was hattest du dort überhaupt zu suchen? Wie oft habe ich euch gesagt, dass ihr dort nicht spielen dürft, weil das viel zu gefährlich ist? Hast du völlig den Verstand verloren?«
    Noch während Franny diese Worte aussprach, begriff sie, dass sie genau wie ihre Mutter klang. Plötzlich konnte sie nachvollziehen, was Theresa damals empfunden hatte, dass ihre Mutter ihr nicht den Spaß verderben wollte, sondern nur aus Angst um sie so

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