Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
Vom Netzwerk:
hängen. Dann, als sie sicher war, dass die Ziegel sie tragen würden, ließ sie sich langsam hinab. Auf den Armen abgestützt rutschte sie immer tiefer in die Lücke und hielt die Luft an, damit sie den Bauch durch das Loch zwängen konnte. Bald hing sie nur noch an ihren Händen, aber sie schwebte immer noch einen Meter über dem Boden. Das bedeutete, dass sie loslassen und darauf hoffen musste, nicht auf etwas Spitzem zu landen. Sie schloss die Augen, zählte bis drei und ließ sich dann fallen.
    Zu ihrer Überraschung landete sie fast sicher auf beiden Füßen. Sie stolperte kurz, bekam dann das Bein eines umgekippten Stuhles zu fassen und schaffte es, sich wieder aufzurichten, ohne dass sie sich wehgetan hatte. Damit war sie drinnen und konnte erleichtert aufatmen. Die Hälfte der Mutprobe hatte sie bereits bestanden. Cara ließ kurz den Blick wandern und erkannte, dass sie in einem ehemaligen Wohnzimmer stand: Neben den zerbrochenen Stühlen sah sie ein Sofa, aus dem die Füllung geplatzt war, und ein zerschmettertes Radio. Fotos oder persönliche Gegenstände entdeckte sie keine – vielleicht war die Familie in der Bombennacht im Bunker gewesen und hatte später noch einmal heimkehren können, um ein paar Sachen aus dem Haus zu holen. Sie hoffte es jedenfalls.
    Um die Sache möglichst schnell hinter sich zu bringen, begann Cara sofort nach dem Gewehr zu suchen, das Olly gesehen hatte. Sie ging in die Hocke, suchte sich einen Weg zwischen den kaputten Möbeln und dem Schutt und begann vorsichtig durch den Hohlraum zu schleichen. Zuerst konnte sie das Gewehr nirgendwo entdecken. Aber dann kam die Sonne hinter einer Wolke hervor, ein Strahl fiel durch das Loch über ihr, und das Licht brachte etwas zum Blinken. Unter dem Gerümpel lag etwas, das wie der Lauf eines Revolvers aussah. Cara schob ein verkohltes Buch und einen leeren Bilderrahmen beiseite, wühlte die Hand in den Staub und packte das graue Objekt. Als sie es herausgezogen hatte, stieß sie einen Freudenschrei aus. Sie hatte es gefunden! Eine Pistole – und noch dazu war es eine Spielzeugpistole! Eine Kinderpistole aus Blech. Oh, sie würde Olly schön unter die Nase reiben, dass er eine Spielzeugpistole nicht von einer echten Waffe unterscheiden konnte!
    Mit ihrem Fund in der Hand richtete sich Cara auf und suchte nach einem Weg aus der Ruine.
    In diesem Moment sah sie den Toten. Eigentlich war es nur ein Mantel, der auf den Boden gefallen war, aber Cara hatte immer noch Ollys Warnung im Ohr. Entsetzt taumelte sie zurück und stieß dabei gegen den Stahlträger, der das stützte, was von dem Gebäude noch übrig war. Obwohl Cara kaum etwas wog, war der Pfeiler so geschwächt, dass dieser winzige Stoß ausreichte, um ihn zu verschieben. Cara erstarrte, als sie hörte, wie der Stahl sich knarrend bog und verdrehte, so als würde er versuchen, sich unter dem Gewicht des Gebäudes aufrecht zu halten. Dann gab der Pfeiler nach.
    Um sie herum begann es zu donnern, und danach wurde es dunkel.
    Draußen blieben die Jungen vor Schreck wie erstarrt stehen. Aus der Einsturzstelle stiegen Staubwolken auf, die sekundenlang den Blick auf die Ruine verdeckten, sodass der genaue Schaden nicht zu erkennen war. Doch es sah schlimm aus.
    Olly reagierte als Erster. Er stieß einen halblauten Fluch aus und erklärte: »Ich hau ab.«
    Seine Bemerkung schreckte Danny aus seiner Starre. Er wusste, dass die Jungen Angst hatten, Ärger zu bekommen, weil sie hier gespielt hatten. Aber wenn sie ihn jetzt im Stich ließen, würde er Cara bestimmt nicht lebend aus dem eingestürzten Haus holen können. Er würde alles unternehmen, um sie zu retten, allerdings brauchte er die anderen, damit sie die Polizei oder den Krankenwagen holten, wenn er sie nicht befreien konnte. Er packte seinen Freund beim Kragen.
    »Wehe dir …«, knurrte er. Ohne in seiner Warnung deutlicher zu werden, drehte er sich um und rannte zu der Einsturzstelle.
    Inzwischen hatte Danny ein schlechtes Gewissen, weil er Cara in die Ruine geschickt hatte. Er hätte nicht zulassen dürfen, dass Olly sie zu der Mutprobe drängte – schließlich hatte er genau gewusst, dass sie Angst hatte. Aber Anführer zu sein war nicht so einfach: Er musste immer auf der Hut sein, denn auf seinen Thron hatten es viele abgesehen. Während er auf den Schutthaufen zurannte, betete er nur, dass sein Ehrgeiz Cara nicht mehr gekostet hatte, als er je zurückzahlen konnte.
    Cara wachte auf und hustete Staub. Sie wollte einatmen, aber

Weitere Kostenlose Bücher