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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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Pictures.«
    »Ach so?« Franny bemühte sich, ihr Interesse nicht zu zeigen.
    »Ja, er hat Blutsbrüder gemacht.«
    Blutsbrüder war ein großes Epos voller Romantik, das im Amerikanischen Bürgerkrieg spielte und von zwei Halbbrüdern handelte, die zuletzt auf verschiedenen Seiten und zudem um dasselbe Mädchen kämpften. Es war die Antwort von Juniper Pictures auf Vom Winde verweht, das MGM vor fünfzehn Jahren veröffentlicht hatte, und der Film hatte ein genauso großes Publikum gefunden, als er im Vorjahr in die Kinos gekommen war. Als Franny hörte, dass der kleine rundliche Mann der Produzent war, betrachtete sie ihn genauer.
    Die Mädchen am Tisch versuchten allesamt, Duke Carter zu bezirzen, aber damit vertaten sie nur ihre Zeit. Er war vielleicht der Star, doch Franny wusste genau, wer tatsächlich das Sagen hatte: immer der Produzent. Bei ihrer Arbeit im Victory Club hatte sie so einiges über das Showgeschäft gelernt. Der Produzent überwachte den Film von Anfang bis Ende, er organisierte alles, er erstellte die Finanzierung, stellte Schauspieler und die Mannschaft ein und kümmerte sich um den Verleih.
    In der Umkleide begann Franny fieberhaft zu überlegen. Vielleicht war dies die Gelegenheit, auf die sie so lange gewartet hatte – die Chance, ihr Schicksal zum Besseren zu wenden.
    Seit fast vier Jahren trat sie inzwischen im Victory Club auf, und seither hatte sich ihr Leben eindeutig verbessert. Während der ersten Monate, in denen sie nur einen kurzen Auftritt zugewiesen bekommen hatte, hatte sie sich hauptsächlich mit irischen Volksweisen wie jener begnügt, die sie beim Vorsingen vorgetragen hatte: Liedern über die Liebe und das Auswandern. Aber sie hatte von Anfang an begriffen, dass sie sich einen eindrucksvolleren, ansprechenderen Akt erarbeiten musste, wenn sie bekannter werden wollte. Nach etwa einem Jahr hatte sie beschlossen, ihren Gesang mit ihrem schauspielerischen Talent zu kombinieren, und sich eine Nummer zusammengestellt, in der sie berühmte Sängerinnen imitierte. Also hatte sie, um ihr Charisma und ihre Bühnenpräsenz auszuschöpfen, den Bandleader Jamie gebeten, ein Medley beliebter Songs anzustimmen, die von verschiedenen bekannten Sängerinnen gesungen wurden.
    Sie würde nie vergessen, wie sie zum ersten Mal ihre neue Nummer vorgetragen hatte. Sie war ans Mikrofon getreten, hatte Jamie angesehen und ihm kurz zugenickt, worauf er das erste Stück angezählt hatte. Sobald der Rumba von Copacabana das Theater erfüllte, hatte sie sich im Rhythmus zu wiegen begonnen, wie sie es bei Carmen Miranda im gleichnamigen Film gesehen hatte, und dann die ersten Zeilen gesungen.
    Alle im Publikum hatten die Luft angehalten. Sie trug das berühmte Lied nicht nur vor wie Carmen Miranda – in diesem Moment war sie Carmen Miranda, sie war die perfekte Imitation. Nach der ersten Strophe und dem Refrain hatte Jamie das Tempo gewechselt, und sie hatte Marlene Dietrichs Falling in Love Again angestimmt. Danach war sie Edith Piaf und sang La Vie en Rose . Vielleicht traf sie nicht alle Töne mit absoluter Sicherheit, aber sie ahmte die Haltung und die Bewegungen der Sängerinnen bis ins Kleinste nach.
    Als sie zum Ende kam, hatte ihr das Publikum stehend applaudiert, und der Bühnenmanager hatte sie gefragt, ob sie öfter und länger auftreten könnte.
    Mit ihrer neuen Nummer war sie so erfolgreich, dass sie all ihre niederen Arbeiten – das Putzen und die Arbeit an der Garderobe – aufgeben konnte und fortan sechs Abende die Woche auftrat, dreimal im Victory Club und ansonsten in verschiedenen anderen Clubs. Dort ging es zwar nicht so elegant zu wie in ihrem Dinnerclub am Piccadilly Circus, doch auf diese Weise konnte sie von ihrem Gehalt als Sängerin leben.
    Trotzdem wollte sich Franny nicht damit begnügen. Inzwischen waren acht Jahre vergangen, seit sie Irland verlassen hatte. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren hatte sie das Gefühl, dass ihr allmählich die Zeit zerrann, während sie immer noch auf den großen Durchbruch wartete – denn sie liebte zwar das Singen, aber eigentlich wollte sie als Schauspielerin berühmt werden. Und jetzt, gerade als sie zu fürchten begonnen hatte, dass sie nie eine Chance bekommen würde, eröffnete sich ganz unerwartet eine Gelegenheit: Im Publikum saß ein Produzent aus Hollywood, jemand, der sie tatsächlich ins Geschäft bringen konnte. Er durfte den Club auf keinen Fall verlassen, ohne dass sie Eindruck bei ihm hinterlassen hatte. Leider war ihr

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