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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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starrte das näherkommende Schiff
an, als könnte er einfach nicht glauben, was er sah.
Das Schiff schien plötzlich mit unheimlicher
Schnelligkeit auf sie zuzuschießen. Mike sah, wie sich das
Wasser schäumend an seinem Bug brach, der immer
größer und größer zu werden schien, bis er den
ganzen Himmel vor ihnen ausfüllte und immer noch
größer wurde.
Dann kam der Aufprall. Mike versuchte, sich dagegen
zu wappnen, doch der Schlag war hundertmal schlimmer, als er erwartet hatte. Die kleine Barkasse wurde
wie von einem Axthieb in zwei Teile gespalten und
zugleich auf die Seite geworfen, und Mike selbst fühlte sich wie von einer unsichtbaren Hand gepackt und
hoch in die Luft geschleudert. Die Schreie der anderen gingen im Bersten und Splittern des auseinanderbrechenden Bootes unter, während Mike sich zweimal
in der Luft überschlug und dann auf das Wasser hinabstürzte. Eine Sekunde, bevor er aufschlug, sah er,
wie sich der Bug der in zwei Teile zerschmetterten
Barkasse aufbäumte und seine Passagiere abschüttelte wie ein bockendes Pferd, während das Heck vom
Bug des Schleppers wie von einer eisernen Faust unter Wasser gedrückt wurde und sprudelnd versank.
Die Wucht seines Sturzes schien die Wasseroberfläche
in eine Glasscheibe verwandelt zu haben, durch die er
mit grausamer Kraft hindurchgeprügelt wurde. Er
hatte das Gefühl,
sich jeden einzelnen Knochen im
Leib gebrochen zu haben, aber noch schlimmer war
die Kälte, die mit dem Wasser über ihm zusammenschlug und eine Million glühender Nadeln in seine
Haut zu bohren schien. Um ein Haar hätte er aufgeschrien, was hier unter Wasser vermutlich seinen sicheren Tod bedeutet hätte. Sein Herz setzte tatsächlich für eine Sekunde aus, ehe es mit solcher Kraft
und so schnell weiterhämmerte, daß er es bis in die
Finger- und Zehenspitzen fühlen konnte.
Mike sank tiefer. Die Wucht seines Sturzes hatte ihn
sicher zwei Meter ins Wasser hinabgedrückt, und seine Kleider begannen sich sofort mit Wasser vollzusaugen. Und plötzlich erschien über ihm ein gigantischer
schwarzer Schatten, und das Wasser war mit einem
Male von einem dumpfen Brausen und Rauschen erfüllt. Der Schlepper, der die Barkasse wie ein Spielzeugschiffchen versenkt hatte, fuhr nun direkt über
ihn hinweg!
Mike begriff die Gefahr, in der er schwebte, im allerletzten Moment. Obwohl er schon jetzt an Atemnot
litt, drehte er sich herum und versuchte mit verzweifelter Kraft weiter zu tauchen, um dem Verhängnis zu
entgehen, das über ihm herangerast kam. Der muschelbesetzte Rumpf des Schiffes verfehlte ihn nur um
Zentimeter, und die Druckwelle preßte ihn noch weiter nach unten, rettete ihm aber wohl auch zugleich
das Leben, denn schon die geringste Berührung des
Schiffsrumpfes, der mit seinem Panzer aus Muschelkalk wie ein übergroßes Reibeisen wirken mußte, hätte ihn wahrscheinlich auf der Stelle getötet oder ihm
zumindest entsetzliche Verletzungen zugefügt.
Aber die Gefahr war noch keineswegs vorüber. Mikes
Atem wurde wirklich knapp, und die Kälte begann
seine Muskeln zu lahmen. Es war ihm gelungen, nicht
nur nach unten, sondern auch ein Stück zur
Seite
wegzuschwimmen, so daß er an die Oberfläche hätte
zurücktauchen können, ohne Gefahr zu laufen, vom
Schiff oder gar der rasenden Schraube an dessen Heck
erfaßt zu werden. Mike trat aus Leibeskräften Wasser
und bewegte wild die Arme, doch statt sich wieder
nach oben zu bewegen, sank er im Gegenteil immer
schneller in die Tiefe, wobei er sich langsam um seine
eigene Achse drehte. Seine Kleider - vor allem die
dicke, pelzgefütterte Jacke - hatten sich mittlerweile
so mit Wasser vollgesogen, daß sie ihn wie steinerne
Gewichte in die Tiefe zerrten. Er mußte aus der Jacke
heraus!
Ungeschickt begann Mike, die Knöpfe zu öffnen und
das schwere Kleidungsstück abzustreifen, während er
immer noch weiter sank. Es war ein Wettlauf mit der
Zeit. Ihm blieben nur noch Sekunden, bis er entweder
das Bewußtsein verlor oder die Atemnot so schlimm
wurde, daß er den Mund öffnete und einfach zu atmen
versuchte - und das wäre dann das sichere Ende.
Vor ihm bewegte sich etwas. Ein Schatten schoß durch
den Vorhang aus silbernen Luftperlen auf ihn zu, der
ihn umgab, und für eine Sekunde glaubte Mike, in ein
riesiges, bizarres Zyklopengesicht zu blicken, aus dem
ihn ein einzelnes, ausdrucksloses Auge anstarrte. Gewaltige Hände, viel zu groß für einen Menschen und
mit nur drei Fingern, streckten sich nach ihm aus. Offensichtlich hatte er schon

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