Die vergessene Insel
Dann machte er eine ärgerliche Bewegung
mit beiden Händen. »Unsinn«, sagte er. »Es ist nur ein
Schiff. Ganz egal, wie stark es ist, niemand kann damit die ganze Welt beherrschen.«
»Die NAUTILUS allein reicht dazu nicht aus«, antwortete Mike. »Aber das Wissen, das sie bedeutet. Glaubst
du denn, sie würden sich damit zufriedengeben, sie zu
bewundern oder in ein Museum stellen? Ich will dir
sagen, was sie tun werden: Ganze Heerscharen von
Wissenschaftlern und Ingenieuren würden über sie
herfallen und ihr nach und nach alle Geheimnisse
entreißen. Und sie würden sie mißbrauchen, um neue
Waffen und neue Kriegsmaschinen zu konstruieren.
Mein Vater hat das gewußt, und deshalb hat er das
Schiff hierher gebracht!«
»Aber er hat es nicht zerstört!« beharrte Ben.
»Nein. Aber er hat ganz bestimmt nicht gewollt, daß
es in die Hände machthungriger Verrückter fällt!«
antwortete Mike heftig. Er ließ ganz bewußt offen, ob
er damit nun Winterfelds oder Bens Leute meinte.
»Das Schiff muß zerstört werden«, sagte er noch einmal schweren Herzens. Dabei erfüllte ihn der Gedanke mit Entsetzen. Dieses unglaubliche Schiff hatte all
die Jahre hindurch hier gelegen und auf ihn gewartet
- nur damit er kam und den Befehl zu seiner Zerstörung gab. Doch es mußte sein. Und wahrscheinlich
war es gut, daß er diese Entscheidung so schnell treffen mußte, denn er war gar nicht sicher, daß sie genauso ausgefallen wäre, hätte er Zeit gehabt, darüber
nachzudenken. Er glaubte plötzlich zu verstehen, war
um sein Vater die NAUTILUS nicht zerstört hatte.
Das Schiff stellte nicht nur
eine
ungeheuerliche
Macht, sondern auch eine ebenso große Verlockung
dar. Mike war nicht sicher, daß er ihr wirklich widerstehen konnte, wenn er ihr lange ausgesetzt war. Vielleicht konnte das niemand.
»Also los«, sagte er. »Gehen wir.«
»Wohin denn?« fragte Ben. »Wollt ihr vielleicht nach
Hause schwimmen?«
»Winterfeld wird euch nach Hause bringen«, sagte
Singh.
»Winterfeld?« Ben kreischte fast. »Bist du verrückt?
Er wird uns umbringen!«
»Das wird er nicht«, antwortete Mike an Singhs Stelle.
»Wenn die NAUTILUS zerstört ist, gibt es keinen
Grund mehr für ihn, uns gefangenzuhalten.«
»Er kann es sich gar nicht leisten, uns laufenzulassen«, widersprach Ben. »Immerhin hat er uns entführt und auf uns geschossen. Wir würden alles erzählen.«
»Und wer würde uns glauben?« fragte Mike ruhig. Er
deutete auf das Schiff. »Glaubst du wirklich, ein
Mensch auf der Welt würde uns glauben, was wir hier
gefunden haben?« Er schüttelte entschieden den Kopf.
»Und
selbst wenn - Winterfeld ist vielleicht unser
Feind, aber kein Mörder.«
Er wandte sich an Singh. »Was ist mit Trautman?«
»Er bleibt hier«, antwortete der Sikh.
Mike empfand ein Gefühl tiefer Trauer, aber er sagte
nichts. Die NAUTILUS war alles für Trautman gewesen. Während der letzten fünfzehn oder
vielleicht
auch mehr Jahre hatte sein Leben keinen anderen
Sinn gehabt, als den, über das Schiff zu wachen.
Wenn es die NAUTILUS nicht mehr gab, dann hatte
auch sein Leben jeden Inhalt verloren.
»Willst du dich nicht von ihm verabschieden?« fragte
er.
Singh sah schweigend zu der Tür, hinter der Trautman verschwunden war. Dann schüttelte er den Kopf.
»Das ist nicht nötig«, sagte er. »Ich glaube auch nicht,
daß er das will.«
»Mir kommen gleich die Tränen«, sagte Ben. »Ihr
zwei müßt vollkommen übergeschnappt sein, wißt ihr
das? Habt ihr überhaupt eine Ahnung, welchen Schatz
ihr da vernichten wollt?«
Mike antwortete nicht darauf. »Gehen wir«, sagte er
nur.
Sie wandten sich um und bewegten sich schweigend
auf die Treppe zu, doch nach ein paar Schritten blieb
André plötzlich stehen und fragte: »Wo ist Miß McCrooder?«
Auch Mike hielt inne und sah sich überrascht um,
und noch bevor er sich selbst davon überzeugen konnte, daß Miß McCrooder tatsächlich nicht mehr bei ihnen war, sagte Ben: »Viel interessanter finde ich die
Frage: Wo ist Paul?«
Einige Sekunden lang sagte niemand ein Wort. Mike
suchte jeden Winkel und jeden Schatten mit Blicken
ab. Schließlich fuhr Ben fort: »Dein Freund ist abgehauen. Wahrscheinlich ist er längst unterwegs zu seinem Vater, um ihm den Weg hierher zu zeigen!«
Mike sah ihn betroffen an. Er weigerte sich noch immer zu glauben, daß es so war, aber die Tatsachen
sprachen ihre eigene Sprache. Mike hätte vor Zorn
und Enttäuschung am liebsten laut aufgeschrien. Er
konnte es nicht fassen, daß Paul sie
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