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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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man zum Himmel hinaufsah, konnte man die helle Scheibe der Sonne durch den weißen Dunst ausmachen. Wilson und Bingham standen dicht unter der Wolkenschicht. Bei jedem Atemzug spürte Wilson, wie die Feuchtigkeit unangenehm in seine Lungen drang, und er musste sich beherrschen, um nicht zu hyperventilieren.
    Das Rauschen des Flusses war jetzt enorm. Selbst Wilson hatte ein flaues Gefühl im Magen angesichts der wilden Wassermassen. Die Hänge des Seitentals wurden auf der Nordseite sehr steil und zerklüftet. Auf der Südseite aber, wo Wilson ihre Verfolger gesehen hatte, war das Gefälle geringer, und er schätzte, dass es relativ einfach wäre, dort ins Tal hinabzusteigen. Über ihren Köpfen lag ein kalter Regenschleier, und der Himmel wurde bereits dunkler, was zu der unheimlichen Atmosphäre des Ortes beitrug.
    Bingham hatte seit zehn Minuten kein Wort gesprochen, was erstaunlich war. Die Ausdauer dieses hageren Mannes beeindruckte Wilson, und er musste zugeben, dass der Wissenschaftler recht gut durchhielt. Um Kraft zu sparen, hatte Bingham sich das Gewehr über die Schulter gehängt, sodass es hin- und herschwang, was ziemlich unbequem sein musste.
    Was am anderen Ende des Tales als schmaler Bach begonnen hatte, war zu einem Fluss von sechs Meter Breite geworden. Das Wasser war relativ klar und strömte schnell, wo das Bett steiler wurde. Der Fluss war die einzige echte Barriere, die die nördlichen Felsen vom Waldgebiet im Süden trennte.
    »Sagen Sie mir, dass es nicht mehr weit ist.« Bingham stöhnte. »Bitte!«
    Kaum hatte er das gesagt, teilte sich das Grün und der Urubamba kam in seiner ganzen beängstigenden Pracht in den Blick. Da kein Blätterwerk mehr sein Tosen dämpfte, war der Lärm ohrenbetäubend. Der Fluss war mindestens dreißig Meter breit, und das andere Ufer verschwand im Dunst. Die wilden Fluten stürzten über ein Gefälle das Tal hinab, als ob sich die Welt zur Seite neigte. Der Fluss war der wildeste, den Wilson je gesehen hatte. Weiße Gischtsäulen stiegen auf, dann wieder gab es langsamere Abschnitte, wo das dunkelbraune Wasser in großer Tiefe zu verschwinden schien. Die Kräfte der Natur traten hier offen zu Tage. Ein Baumstamm schwamm heran und sprang über die schäumenden Stromschnellen. Die Strömung war schneller, als ein Mann rennen konnte. Der Baumstamm verschwand mitsamt dem Wurzelballen in der Tiefe und stieß unter Wasser offenbar gegen ein Hindernis, denn kurz darauf tanzten Holzsplitter, keiner dicker als ein Unterarm, auf dem weiß schäumenden Wasser. Nach der Strömung zu urteilen, lagen große Felsbrocken im Flussbett, die im Lauf von Jahrtausenden in das Tal gestürzt waren. Diesen Fluss zu dieser Jahreszeit durchqueren zu wollen bedeutete den sicheren Tod.
    »Was nun?«, fragte Bingham. »Da können wir nicht rüber.«
    Wilson zeigte in den Dunst hinauf. »Es gibt eine Brücke.« Zwischen den steilen Felswänden konnte man ein Stück von einer alten Hängebrücke der Inka ausmachen.
    Bingham spähte blinzelnd in die gezeigte Richtung. »Dieses alte Ding! Das kann nicht Ihr Ernst sein!«
    »Die Kondorbrücke«, sagte Wilson. »Sie hängt dort seit Hunderten von Jahren und hat schon viele Wanderer sicher über den Fluss gebracht.«
    Bingham schnaubte. »Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen?«
    Wegen der Wolken war es unmöglich zu sehen, wie hoch die Felswände reichten, aber Wilson wusste, dass es um die tausend Meter waren. Die Brücke befand sich jedoch nur gut dreißig Meter über dem Fluss und hing in der Mitte besorgniserregend durch. Die zu Trossen gedrehten Lianen erreichten fast das schäumende Wasser. Dass die Brücke noch existierte, war eine Erleichterung, aber Wilson hielt sich mit einem endgültigen Urteil zurück, bevor er sie näher inspiziert haben würde. Auf der anderen Seite des Urubamba war dichter Urwald, ein sogenannter Nebelwald. Wenn sie es ans andere Ufer schafften, würden sie ein Gebiet von unglaublicher Artenvielfalt betreten, wo mehr Spezies pro Quadratmeter lebten als irgendwo sonst auf der Welt.
    Angesichts der Schnelligkeit, die Wilson bei ihren Verfolgern beobachtet hatte, mussten diese sie inzwischen überholt haben und irgendwo lauern, falls sie einen Hinterhalt im Sinn hatten. Doch er konnte niemanden sehen. Konnten die Verfolger den Fluss bereits überquert haben und drüben auf sie warten? Oder war es eine optische Täuschung gewesen, als Wilson meinte, nackte Haut zwischen den Blättern gesehen zu haben? Konnten es Vögel

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