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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Meisterleistung galt, hatte Wilson seine Zweifel. Dass die Brücke in seiner Auftragsbeschreibung stand, hieß nicht, dass sie wirklich da war. Die Ereignisse waren vom Gang der Geschichte abgewichen, und man konnte sich auf nichts mehr verlassen. Wenn die Brücke weg war oder sich als unpassierbar erwies, befänden sie sich in einer Sackgasse ohne jede Fluchtmöglichkeit.

16.
    A NDEN , P ERU
64 K ILOMETER NORDWESTLICH VON C USCO
O RTSZEIT : 15.25 U HR
17. J ANUAR 1908
    Es tat gut, ein Ziel vor Augen zu haben und die feuchte Luft in den Lungen zu spüren. Acllas Muskeln brannten vom ununterbrochenen Lauf durch den dichten Wald, ihre Brust hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Sie spürte die Qual der außergewöhnlichen Strapaze, aber das Gefühl gefiel ihr – es gefiel ihr sehr. Zwischen den Bäumen und Schlingpflanzen hing Dunst, in den die Kriegerin eintauchte, die drei große Schritte vor ihr lief. Der Regen prasselte kalt auf ihre Haut, während Aclla geschickt über einen umgestürzten Baum sprang, geschmeidig auf einem Stein landete, ohne aus dem Tritt zu kommen.
    Zu ihrer Rechten konnte sie ab und zu bis auf den Grund des engen Tals hinabsehen. Bald würden sie die weißen Männer stellen können. Die beiden waren ihnen in Richtung Fluss entwischt, obwohl Aclla und ihre Kriegerinnen versucht hatten, sie mit der Marter der Esel nach Süden in den Wald zu locken. Doch die Männer hatten den Köder nicht geschluckt. Bis Aclla bemerkt hatte, dass sie geflohen waren, war es zu spät gewesen, um die Verfolgung sofort aufzunehmen. Inzwischen war Capitán Gonzales mit seinen erschöpften Soldaten auf der Wiese vor der Hütte erschienen, gerade als die Wolken und der Nebel sich lichteten. Aclla hatte nicht riskieren dürfen, entdeckt zu werden, und so hatten sie sich in den Wald zurückgezogen und waren einen Umweg gelaufen.
    In Hast getan, in Muße bereut, dachte Aclla unwillkürlich.
    Das waren weise Worte von Mamacona Kay Pacha, der Priesterin, die sie unterrichtete, seit sie denken konnte. Die Jungfrauen der Sonne gingen keine Risiken ein. Sie handelten nur, wenn sie sich eines Erfolges sicher sein konnten, denn sie hatten zu viel zu verlieren. So war es seit fast fünfhundert Jahren, und so würde es auch die nächsten fünfhundert Jahre bleiben.
    Bis Aclla mit ihren Kriegerinnen im Wald verschwunden war, hatten sie viel Zeit verloren. Die Sonne stand im Zenit, bevor die Späherinnen die Spur der weißen Männer wiederfanden. Zuerst folgten sie den Gleisen in Richtung Fluss, dann mündete die Spur ins Heilige Tal, genau wie Aclla befürchtet hatte. Sie und ihre Kriegerinnen hätten die Männer gleich im Schlaf töten sollen, aber sie hatte befohlen, es nicht zu tun – und wusste selbst nicht genau, warum. Es war ihre Pflicht, das Tal vor Eindringlingen zu schützen, wie es schon ihre Vorfahren getan hatten. Die Sonnenjungfrauen hatten das mächtige Heer des Vizekönigs mit List und Geschick vertrieben, ohne Mitgefühl, genau wie es die Lehren vorschrieben. Ihre Schwester Vivane war so töricht gewesen, ihren Gefühlen nachzugeben, und ihr Schicksal war besiegelt. Aclla würde nicht denselben Fehler machen. Von nun an würde sie entschlossen und rücksichtslos handeln.
    Jetzt war nur noch wichtig, die weißen Männer aufzuhalten, bevor sie das reißende Wasser des Großen Redners erreichten. Da sie offenbar den Weg ins Heilige Tal kannten, obwohl es auf keiner Landkarte verzeichnet war, wussten sie vielleicht auch von der Hängebrücke über die Schlucht. Und obendrein führten sie Capitán Gonzales dem heiligen Boden von Vilcabamba entgegen. Aclla und ihre Kriegerinnen mussten unbedingt zuerst den Fluss erreichen und an den Fremden ein Zeichen setzen, das alle künftigen Sucher abschreckte. Diesmal würde Aclla mitleidlos handeln müssen.
    Sie lief unmittelbar hinter Sontane, auf die sie sich am meisten verließ, und ahmte jede ihrer Bewegungen nach. Sie liefen völlig synchron am Steilhang über Senken und Erhebungen des Pfades entlang, der in kurvigem Verlauf zum Großen Redner führte. Sontane war eine Kriegerin von großer Anmut und ungeheuren Fähigkeiten, und Aclla vertraute ihr uneingeschränkt. Während Sontane entschied, wie der schlüpfrige Grund am besten zu nehmen war, wo sie den Fuß hinzusetzen hatten, wann sie sich ducken oder springen sollten, konnte Aclla sich über anderes Gedanken machen. Seit sie beide laufen konnten, hatten sie gemeinsam trainiert und waren als Jungfrauenpaar

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