Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
Vom Netzwerk:
Unterarmen trugen sie breite Bronzereifen zum Schutz gegen Verletzungen, und ein kurzes Schwert war an den rechten Oberschenkel geschnallt. Die Kriegerinnen sahen zweifellos gefährlich aus, und ihrer entschlossenen Miene nach zu urteilen, hatten sie es auf Bingham und ihn abgesehen.
    Warum hatte in seiner Auftragsbeschreibung nichts von den Kriegerinnen gestanden? Und wenn sie einem alten Inka-Stamm angehörten, konnten sie dann möglicherweise Nachfahren der Sonnenjungfrauen sein? Diese hatten einen eindrucksvollen Tempel in Machu Picchu gehabt. Doch mehr wusste Wilson nicht über sie.
    »Die Legenden sind wahr«, murmelte Bingham, als Wilson ihn weiterdrängte. »Das sind Amazonen! Wie Francisco de Orellana behauptet hat.«
    Orellana hatte während der 1540er Jahre die Flüsse Perus und Brasiliens erkundet und berichtet, er sei Kriegerinnen von immenser Kraft und Schönheit begegnet. Darum hatte man den Amazonas nach den Kriegerinnen der griechischen Mythologie benannt, die als höchst brutale und geschickte Kämpferinnen galten, Männer als Sklaven hielten, um sich fortzupflanzen, und männliche Neugeborene töteten oder in der Wildnis aussetzten.
    »Wir sollten uns nicht mit ihnen anlegen«, sagte Wilson.
    Er schob Bingham durch den weißen Dunst auf das Tosen des Urubamba zu. Erst als sie zehn Schritte vom Abgrund entfernt waren, konnte er die zwei dicken Steinsäulen sehen, die einen guten Meter voneinander entfernt standen und mit dicken Lianen umwickelt waren, die die Hängebrücke hielten.
    Die Lianen schienen Wilson in einem schlechten Zustand zu sein, aber da er so eine Brücke noch nie aus der Nähe gesehen hatte, konnte er das letztlich nicht beurteilen. Auch am anderen Ufer war die Brücke an zwei Steinsäulen befestigt. Die Brücke selbst bestand aus zwei langen Lianentrossen, zwischen denen ein Geflecht aus Zweigen und Gras befestigt war, das den begehbaren Teil bildete. Zwei dünnere Seile dienten rechts und links als Geländer, sahen aber nicht aus, als könnten sie das Gewicht eines erwachsenen Menschen halten. Die ganze Brücke wirkte durchnässt und hing in der Mitte stark durch, was sie über einen Großteil der Strecke sehr steil machte. Und dicht darunter boten die braun-weißen Stromschnellen des Urubamba einen furchterregenden Anblick.
    Zu allem Überfluss schwang die Brücke leicht hin und her, sicherlich durch die Luftbewegung, die das Wasser erzeugte.
    »Ich gehe nicht über diese Brücke!«, schrie Bingham. Er zitterte, als er das Gewehr von der Schulter nahm und sich zur dunstverhangenen Felsöffnung umdrehte. »Ich gehe das Risiko ein und stelle mich lieber den Frauen.« Er lud sein Gewehr durch.
    »Sie wird halten.« Wilson hob gleichfalls die Stimme, um gegen das laute Tosen des Wassers anzukommen. »Wir haben keine andere Wahl.«
    »Doch«, widersprach Bingham resolut. »Ich bleibe hier und kämpfe!«

18.
    A NDEN , P ERU
74 K ILOMETER NORDWESTLICH VON C USCO
O RTSZEIT : 17.10 U HR
17. J ANUAR 1908
    »Bereitet die Pfeile vor!«, rief Sontane, während sie, ohne innezuhalten, ihren Bogen von der Schulter nahm. Aclla folgte ihrem Beispiel, als sie beide die letzten Stufen zu der Felsöffnung hinaufrannten, die zur Brücke des Kondors führte.
    Sie waren außer Atem, überhitzt und schweißüberströmt. Seit zwei Stunden rannten sie nun schon in vollem Tempo, ohne anzuhalten.
    Aclla sah bereits ihre schlimmste Befürchtung wahr werden. Wenn die weißen Männer die Hängebrücke überquerten, hätte sie versagt. Es wäre das erste Mal, dass Fremde das heilige Gebiet betraten, und sie wäre schuld daran. Jeder wusste, dass es eines Tages dazu kommen und die vordringenden Europäer die Verteidigungsanlagen der Sonnenjungfrauen überwinden würden. Aclla betete jedoch, dass es nicht schon jetzt so weit sein möge. Sie hatte zu hart gearbeitet und gelernt, als dass dies der Augenblick sein durfte, der die Verlegung des Inka-Würfels und die Flucht der Sonnenjungfrauen ins Amazonastal einleitete. Seit über fünfhundert Jahren war der Würfel sicher verwahrt gewesen, und jetzt war er in Gefahr, genau wie damals, als Vizekönig Toledo sein Heer auf der Suche nach Prinz Titu Cusi durch dieses Tal marschieren lassen wollte. Die Bedrohung war durch das rücksichtslose und listige Vorgehen der Kriegerinnen abgewendet worden. Während fünf mondloser Nächte hatten sie den Spaniern im Schlaf die Kehle durchgeschnitten. Jeden fünften brachten sie um; die übrigen verbreiteten die Geschichte,

Weitere Kostenlose Bücher