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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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gewesen sein, die sich da bewegt hatten?
    »Wir müssen zu der Brücke hinauf«, sagte Wilson und machte sich auf den Weg.
    »Auf keinen Fall werde ich den Fluss überqueren!«, protestierte Bingham.
    Wilson betrachtete den steilen Hang unterhalb der Brücke. Es gab einige dunkle Felsvorsprünge aus Granit, eingebettet zwischen Lagen aus hellerem Sedimentgestein. Es wäre eine schwierige Kletterei, aber nicht unmöglich. Als sie sich näherten, stießen sie unerwartet auf grobe Stufen, die zweifellos von den alten Inkas stammten. Sie bildeten eindeutig eine Treppe nach oben, die mühelos zu besteigen war.
    Die Situation bessert sich, dachte Wilson. Doch im Grunde rechnete er weiter mit einem Hinterhalt und suchte nach Hinweisen, dass kürzlich jemand vor ihnen diesen Weg genommen hatte. Doch es gab weder Fußabdrücke im Morast noch abgebrochene Zweige oder zurückgebogene Blätter, und das weiche Moos war auch nirgends vom Stein gelöst.
    Während Wilson die Treppe hinaufstieg, musste er an die Inkas denken, die die Stufen vor vielen hundert Jahren in die Felswand gehauen hatten. In ihrem Reich hatte alles einen Zweck erfüllt, und nichts war dem Zufall überlassen worden. Die Inkas hatten im Einklang mit der sie umgebenden Welt gelebt, mit einem enormen Verständnis der Gestirne und der Jahreszeiten, der Berge und der Regenfälle. Sie waren in vieler Hinsicht eine Hochkultur gewesen. Sie hatten es verstanden, Getreide so anzubauen und zu düngen, dass der Boden nicht auslaugte. Sie hatten die Wirkungen von Stoffen wie Chinin und Kokain gekannt. Ihre Baumeister hatten Terrassen selbst an den steilsten Berghängen geschaffen, sodass sie dort Getreide pflanzen und bewässern konnten. Es war eine Welt des Überflusses gewesen, dank ihres Wissens über Getreide und andere Nahrungsmittel und der Zucht von Lamas und Alpakas. Und mit dem Wissen kamen Könige, die mit einem effektiven Beamtenstand Gesetze und Verwaltungsstrukturen schufen, sodass niemand zu hungern brauchte. Ihr Kommunikationssystem reichte in alle Winkel des Inka-Reiches, das sie durch zwei Geraden, die sich in Cusco kreuzten, in vier Regionen unterteilten. Cusco war für sie der Nabel der Welt. Eine Linie ging von Nordwesten nach Südosten, die andere von Nordosten nach Südwesten. Die nördlichen Regionen erstreckten sich von Ecuador bis Brasilien, die südlichen bis nach Chile. In seiner Blütezeit umfasste das Reich eine Fläche von über zwei Millionen Quadratkilometern und war Heimat von mehreren Millionen Untertanen.
    Die Inkas hielten sich für die fortschrittlichsten und vornehmsten Menschen auf der Erde. Andere Zivilisationen waren für sie Wilde. Ihr eigenes Reich war »die Welt« und alles, was sie zu bieten hatte. Die Götter hatten die Inka-Könige auf die Erde gesandt, um auch allen anderen Zivilisation und Kultur zu bringen. Deshalb war es ihre Pflicht, die niederen Völker zu erobern und zu assimilieren. Zu diesem Zweck schufen sie ein Militärwesen, das in Südamerika einzigartig war, und drillten ihre Krieger zu Zehntausenden auf größtmögliche Disziplin. Die kleineren Stämme der Anden wurden absorbiert, und wenn die Eroberten sich nicht unterwarfen, richteten die Inkas unter ihnen ein Blutbad an, bis der Widerstand aufhörte. Die Inkas herrschten rücksichtslos und grausam und forderten unbedingten Gehorsam. Ihr König galt als allmächtig und jede seiner Anweisungen als göttliches Gebot. Wilson schüttelte den Kopf: Welch ein Schock musste es für den König gewesen sein, als ein paar Spanier angeritten kamen und mit Schwertern und knapp hundert Musketen über den Haufen warfen, was die Inkas in Hunderten von Jahren geschaffen hatten. Die Inkas hatten noch nie ein ausgewachsenes Pferd oder eine Rüstung gesehen. Sie ließen sich weismachen, die europäischen Invasoren stammten von Göttern ab, und waren gegenüber den bärtigen Männern zu vertrauensselig. Ein Fehler, der sie alles kostete.
    Doch dieser Pfad, den Wilson und Bingham jetzt entlangliefen, war von keinem spanischen Fuß betreten worden. Die Inkas waren vielleicht nicht imstande gewesen, die Invasoren zu besiegen, aber sie hatten Vilcabamba jahrhundertelang im Verborgenen halten können, was eine bemerkenswerte Leistung war.
    Diese Felstreppe dürfte von den Läufern benutzt worden sein, die zwischen Cusco und dem Norden Nachrichten überbrachten. Die Stufen waren einmal scharfkantig gewesen, aber der Zahn der Zeit und der unablässige Regen der Sommermonate hatten das

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