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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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ausgewählt worden, weil sie genetisch perfekt zueinander passten. Ihre Väter waren ausgesucht worden, um für ihre Töchter die gleiche Statur, Kraft und Koordinationsfähigkeit zu gewährleisten. Gerissenheit, Klugheit und Härte konnten dagegen anerzogen werden. Für nahezu fünfhundert Jahre war es so gewesen, und das Heilige Tal war geschützt worden, obwohl die Übel der Zivilisation weit vorgedrungen waren. Inzwischen gab es Schienen und Telegrafenmasten, und jedes Jahr wollten neue Abenteurer nach Vilcabamba gelangen.
    Acllas Kriegerinnen bildeten alle perfekte Paare. Dicht hinter ihr liefen Polix und Sepla; sie konnte ihre Schritte hören. Die Spitze bildeten Orelle und Ilna. Hin und wieder waren ihre Zöpfe und nackten Rücken zwanzig Schritt voraus im Grün des Waldes zu sehen. Sie trugen alle die bronzene Brustplatte des Sonnengottes Inti, einen kurzen Bogen und ein scharfes Schwert, das an den rechten Oberschenkel geschnallt war. Vierzehn Kriegerinnen insgesamt stürmten den Hang entlang, lauter hervorragend ausgebildete, heilige Verteidigerinnen der Inka, die vornehmsten Kriegerinnen, die die Welt je gekannt hatte, die Wächterinnen über die alte Stadt Vilcabamba und ihre Schätze, die Hüterinnen des Inka-Würfels.
    Sontane machte einen schnellen Schritt, sprang hoch und landete auf einem Felsüberhang. Sie machte noch einen großen Schritt, griff dann nach einem überhängenden Ast und schwang sich über einen Abgrund. Acllas ahmte jede ihrer Bewegungen nach, ohne darüber nachzudenken. Das Vertrauen zwischen den Jungfrauenpaaren war bedingungslos.
    Aclla dachte an den großen weißen Mann mit den leuchtend blauen Augen. Jeden Moment würden sie ihn und seinen Gefährten einholen. Sie war begierig, den Blauäugigen wiederzusehen und ihn zu mustern, wenn auch nur von Weitem. Er fesselte sie auf eine Art, die ihr neu war. Und sie hoffte, dadurch zu begreifen, warum sie in der Nacht nicht einfach seinen Tod befohlen hatte. Es wäre leicht gewesen, den beiden Männern im Schlaf die Kehle durchzuschneiden, doch etwas in ihr hatte sich dagegen gesträubt. Nun wollte sie unbedingt verstehen, was dahintersteckte, und wenn sie den Blauäugigen dafür eigenhändig töten müsste. Es lag nicht daran, dass er ein Ausländer war, denn von denen hatte sie schon viele in ihrem Leben gesehen. Mindestens dreißig Mal war sie nach Cusco und Olleyantambo gegangen und hatte sich unter »zivilisierte« Leute gemischt, wie diese Menschen sich gern nannten. Das gehörte zur Ausbildung, denn es war nötig, seine Feinde zu verstehen. Aber noch nie hatte sie einen Mann wie den Blauäugigen gesehen – wie er plötzlich vor ihr erschienen war, sein zielstrebiger Gang über die Plaza de Armas, seine Kleider und wie ihm der Hut auf dem Kopf saß, dazu dieser entschlossene Gesichtsausdruck. Er hatte etwas an sich, was ihn von allen anderen unterschied, einen wissenden Ausdruck, den Aclla bis dahin nur von der weisesten der Jungfrauenpriesterinnen gekannt hatte.
    Vor ihr schnalzte Orelle mit der Zunge, und die Kriegerinnen wussten, was das bedeutete: Sie rannten an den zwei Weißen vorbei. Nicht einen Augenblick zu früh. Das Tal lag tief unter ihnen, und der Wald war sehr dicht, sodass sie vor Blicken geschützt waren und weiterlaufen konnten, um den Großen Redner rechtzeitig zu erreichen.
    Aclla konnte die beiden Weißen unten im Tal sehen. Ihre Neugier gewann die Oberhand, und sie spähte bei jeder Gelegenheit zu ihnen hinab. Der Blauäugige hielt einen Stiefel des Hageren in der Hand und schnitt mit seinem Messer Kerben in die Sohle. Er war groß und breitschultrig. Die meisten Forscher, die den Weg in die Anden fanden, waren fade und hager; aber dieser Mann war eine Ausnahme.
    Ein Dickicht aus langblättrigen Stauden verstellte ihr einen Moment lang den Blick auf die Fremden. Sontane vollführte einen schwierigen Sprung und drehte sich in der Luft um die eigene Achse, um einem Bambusbusch auszuweichen. Aclla folgte ihrem Beispiel, sprang und drehte sich. Sie landeten beide mit trittsicherer Anmut und preschten weiter hintereinander durch nassen Farn. Rings um sie herum standen krumm gewachsene Bäume voller Moos, und der Erd- und Torfboden unter ihren Füßen fühlte sich weich an. Der Pfad entlang des Hanges war sehr schmal und mit Hindernissen übersät. Sontane musste ihre ganze Kunst aufbringen, um unbemerkt und schnell voranzukommen.
    Vorn erhaschte Aclla einen kurzen Blick auf Orelle und Ilna, die den Hang höher

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