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Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Titel: Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Salvatore
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der Halbling derart schwerwiegende Angelegenheiten zu erledigen, daß seine sonst so gehobene Stimmung gedämpft war. Er war über die schlimmen Nachrichten des Dunkelelfen entsetzt gewesen, und es machte ihn nervös, daß ausgerechnet er sie der Ratsversammlung übermitteln sollte.
    Inzwischen hatte er den lärmenden Markt hinter sich gelassen und das schloßartige Haus von Cassius, dem Sprecher von Bryn Shander, erreicht. Es war das mit Abstand größte und prächtigste Gebäude von Zehn-Städte. Die Vorderfront war mit Säulen verziert, und alle Mauern waren mit Flachreliefs versehen. Früher hatte es in erster Linie als Versammlungsort für die zehn Sprecher gedient, aber als das Interesse an den Ratsbesprechungen immer mehr nachließ, hatte Cassius, der über diplomatisches Geschick verfügte, aber auch nicht zimperlich bei der Wahl gewaltsamer Methoden war, den Palast zu seinem offiziellen Wohnsitz erklärt. Die Versammlungen fanden daraufhin in einem leeren Lagerhaus statt, das verborgen in einem abgelegenen Teil der Stadt lag. Einige Sprecher hatten sich zwar über den Umzug beschwert, aber wenn die Fischerstädte auch einen gewissen Einfluß auf die Hauptstadt in bezug auf öffentliche Angelegenheiten ausüben konnten, fanden sie bei einer solchen Streitfrage, die für die allgemeine Öffentlichkeit belanglos war, nur wenig Unterstützung. Cassius kannte den Stellenwert seiner Stadt sehr genau und wußte auch, wie er die anderen Städte unter seiner Fuchtel halten konnte. Die Bürgerwehr von Bryn Shander konnte die vereinten Streitkräfte von fünf der anderen neun Städte besiegen, gleichgültig welche Städte es waren; und Cassius' Beamten hatten das Monopol für die Verbindungen zu den Märkten im Süden, die für alle lebensnotwendig waren. Die Sprecher konnten zwar über den Wechsel des Versammlungsortes murren, aber ihre Abhängigkeit von der Hauptstadt hielt sie dann doch davon ab, gegen Cassius etwas zu unternehmen.
    Regis betrat als letzter die kleine Halle. Er sah die neun Männer, die bereits am Sitzungstisch versammelt waren, und begriff auf einmal, wie fehl am Platz er in dieser Runde eigentlich war. Er war zum Sprecher gewählt worden, weil sich sonst niemand in Waldheim dafür interessiert hatte, Ratsmitglied zu werden. Seine Kollegen dagegen hatten ihr Amt aufgrund mutiger und heldenhafter Taten erworben. Sie waren die Anführer ihrer Gemeinden, Männer, die die Ordnung und Verteidigungsanlagen ihrer Städte aufgebaut hatten. Jeder andere der Sprecher hatte unzählige Schlachten erlebt, denn in Zehn-Städte gab es mehr Überfälle von Goblins und Barbaren als Sonnentage. Das Motto für ein Leben in Eiswindtal war schlicht und einfach: Du kannst nur überleben, wenn du kämpfen kannst. Die Ratsmitglieder gehörten dabei zu den fähigsten Kriegern von ganz Zehn-Städte.
    Zuvor hatte sich Regis niemals von den Sprechern eingeschüchtert gefühlt, denn normalerweise hatte er auf den Versammlungen nichts zu sagen. Waldheim, eine abseits gelegene Stadt in einem kleinen, dichten Nadelwald, verlangte von niemandem etwas. Und da sie über nur wenige Fischerboote verfügte, stellten die drei anderen Städte, mit denen sie das Maer Dualdon teilte, keine Forderungen an sie. Regis hatte bisher seine Meinung nur kundgetan, wenn er dazu aufgefordert wurde, und war bei Streitfragen stets darauf bedacht gewesen, seine Stimme entsprechend den vorhandenen Stimmenmehrheiten abzugeben. Und wenn die Ratsversammlung in einer Streitfrage uneinig war, folgte Regis einfach Cassius' Führung. In Zehn-Städte konnte man nichts falsch machen, solange man Bryn Shander folgte.
    Doch an diesem Tag fühlte sich Regis von den Sprechern eingeschüchtert. Die schlechten Nachrichten, die er für sie hatte, würden ihn für ihre Einschüchterungsversuche und häufig wütenden Gegenargumente verwundbar machen. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die zwei mächtigsten Sprecher, Cassius aus Bryn Shander und Kemp aus Targos, die an der Stirnseite des rechteckigen Tisches saßen und plauderten. Kemp sah aus wie die meisten Bewohner dieser rauhen Landschaft: nicht zu groß, aber mit gewölbter Brust, mit schwieligen, knotigen Händen und einem strengen Auftreten, das Freund und Feind gleichermaßen Angst einflößte.
    Cassius wirkte dagegen keineswegs wie ein Krieger. Er war klein, hatte sein Haar ordentlich frisiert, und auf Kinn und Wangen zeigte sich nicht eine Bartstoppel. Seine großen, hellblauen Augen strahlten immer wie voller

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