Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
dich niemals als Sklaven angesehen, Junge«, fuhr Bruenor fort. »Du hast mir gedient, um für die Verbrechen deines Volkes zu zahlen, und dafür habe ich dich viel gelehrt. Jetzt leg deinen Hammer beiseite.« Er ließ sich einen Augenblick Zeit und begutachtete Wulfgars großartiges Werk.
»Du bist ein guter Schmied und hast ein gutes Gefühl für Stein, aber du gehörst nicht in die Höhle eines Zauberers. Es ist Zeit für dich, daß du wieder Sonne auf deinem Gesicht spürst.«
»Freiheit?« flüsterte Wulfgar.
»Schlag dir diese Idee aus dem Kopf!« fuhr Bruenor ihn an. Er zeigte mit einem seiner dicken Finger drohend auf den jungen Barbaren und knurrte: »Du gehörst mir bis zu den letzten Tagen im Herbst, vergiß das nicht!«
Wulfgar mußte sich auf die Lippe beißen, um ein Lachen zu unterdrücken. Wie immer verwirrte ihn bei dem Zwerg die merkwürdige Mischung von Mitgefühl und unterdrücktem Zorn und brachte ihn aus der Fassung. Aber das schockierte ihn nicht mehr. Vier Jahre an Bruenors Seite hatten ihn gelehrt, dessen plötzliche mürrische Ausbrüche abzuwarten — und nicht weiter zu beachten.
»Führe die Arbeit zu Ende, mit der du angefangen hast«, wies Bruenor ihn an. »Morgen früh nehme ich dich mit nach draußen und stelle dir einen Lehrer vor, dem du von dann an gehorchen wirst, so wie du mir gehorchen würdest!«
Wulfgar zog eine Grimasse bei dem Gedanken, einem anderen zu dienen. Aber er hatte zugestimmt, Bruenor für den Zeitraum von fünf Jahren und einem Tag bedingungslos zu dienen, und er würde sich nicht selbst entehren, indem er seinen Eid brach. Er nickte daher.
»Ich werde dann nicht mehr viel von dir sehen«, fuhr Bruenor fort, »darum will ich jetzt deinen Schwur, daß du niemals wieder eine Waffe gegen die Bewohner von Zehn-Städte erhebst.«
Wulfgar richtete sich entschlossen auf. »Den wirst du nicht bekommen« erwiderte er kühn. »Wenn ich die Bedingungen erfüllt habe, die du mir gestellt hast, werde ich als Mann mit freiem Willen von hier weggehen!«
»Das ist recht und billig«, gab Bruenor zu. Wulfgars dickköpfiger Stolz verstärkte eigentlich nur den Respekt, den er für ihn empfand. Er hielt einen Augenblick inne, betrachtete den jungen, stolzen Krieger und stellte fest, daß er mit seinem Anteil an Wulfgars Entwicklung zufrieden war.
»Du hast diesen verdammten Stab auf meinem Kopf zerbrochen«, begann Bruenor zaghaft. Dann räusperte er sich. Diese letzte Aufgabe machte den harten Zwerg nervös, und er wußte nicht genau, wie er sie hinter sich bringen sollte, ohne sentimental und dümmlich zu wirken. »Wenn deine Zeit bei mir abgelaufen ist, wird auch schon der Winter hereinbrechen. Ich kann dich nicht ohne Waffe in die Wildnis zurückschicken.« Er langte schnell nach hinten in den Korridor und packte den Kriegshammer.
»Aegisfang«, sagte er mürrisch und reichte Wulfgar die Waffe. »Ich will deinen Willen ja nicht in Ketten legen, aber ich will deinen Schwur, schon um ein gutes Gewissen zu haben, daß du niemals diese Waffe gegen die Bewohner von Zehn-Städte erhebst!«
Sobald sich seine Finger um den adamantenen Griff schlossen, spürte Wulfgar die Kraft des magischen Kriegshammers. Die diamantgefüllten Runen wurden vom Glühen des Schmiedefeuers erleuchtet und warfen Myriaden von Lichtreflexen in den Raum zurück. Die Barbaren von Wulfgars Stamm hatten sich stets mit den feinen Waffen gebrüstet, die sie trugen. Der Wert eines Mannes wurde sogar an der Qualität seines Speers oder Schwertes gemessen. Aber Wulfgar hatte niemals eine Waffe gesehen, die der Handwerkskunst und der bloßen Kraft von Aegisfang gleichgekommen wäre. In seinen großen Händen war sie so gut ausbalanciert, und ihre Größe und ihr Gewicht waren so genau auf ihn abgestimmt, daß er den Eindruck hatte, er sei geboren worden, um diese Waffe zu schwingen. Sofort schwor er sich, viele Nächte den Göttern des Schicksals Dankgebete zu senden, daß er dieses kostbare Geschenk erhalten hatte. Sie verdienten es auf jeden Fall.
So wie Bruenor.
»Du hast mein Wort!« stammelte Wulfgar.
Er war von dem prächtigen Geschenk so überwältigt, daß er kaum sprechen konnte. Er riß sich zusammen, um mehr zu sagen, aber als er endlich in der Lage war, den Blick von dem herrlichen Hammer abzuwenden, war Bruenor bereits verschwunden.
Der Zwerg stapfte durch die langen Korridore auf seine Räume zu, murmelte Verwünschungen über seine Schwäche und hoffte, daß er niemandem begegnete. Nach
Weitere Kostenlose Bücher