Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
Nachschubtrupps ankündigte, die planmäßig eintreffen sollten. Alles verlief nach Kessells Plan, aber Biggrin fiel bald besorgt auf, daß seine Krieger jedes Mal, wenn ein Läufer kam, unruhiger wurden, da sie hofften, endlich in den Krieg ziehen zu können.
Doch die Anweisungen blieben unverändert: Haltet euch versteckt, und wartet weiter ab.
Es dauerte nicht einmal zwei Wochen, bis der Zusammenhalt unter den Riesen in der angespannten Atmosphäre der stickigen Höhle zerbröckelte. Die Verbeeg waren Geschöpfe des Handelns und nicht des Denkens, und Langeweile führte bei ihnen unausweichlich zu Enttäuschung. Streitereien waren an der Tagesordnung und arteten häufig in heftige Kämpfe aus. Biggrin war niemals weit entfernt, und der Frostriese schaffte es bisher noch, die Raufereien zu beenden, bevor ein Soldat schwer verletzt wurde. Doch der Riese war sich auch bewußt, daß er die kampflustige Gruppe nicht mehr lange hinhalten konnte.
In einer besonders heißen und unangenehmen Nacht schlüpfte zum fünften Mal ein Läufer in die Höhle. Kaum hatte der bedauernswerte Ork den Raum betreten, wurde er von mehreren mürrischen Verbeeg umringt.
»Wie lauten die Neuigkeiten?« herrschte ihn einer von ihnen ungeduldig an.
In dem Glauben, daß die Zugehörigkeit zu Akar Kessells Armee ausreichenden Schutz darstellte, beäugte der Ork den Riesen mit unverhohlenem Trotz. »Hol deinen Herrn, Soldat!« befahl er.
Plötzlich packte eine große Hand den Ork beim Kragen und schüttelte ihn grob. »Man hat dich was gefragt, Abschaum«, mischte sich ein zweiter Riese ein. »Also, wie lauten die Neuigkeiten?«
Der Ork verlor allmählich die Nerven und schleuderte dem Riesen eine wütende Drohung entgegen. »Der Zauberer wird dir die Haut abziehen, und du wirst dabei zusehen müssen!«
»Ich habe genug gehört«, knurrte der erste Riese, legte eine Hand um den Hals des Orks und hob ihn mühelos vom Boden hoch. Der Ork schlug um sich und wand sich mitleiderregend, doch das störte den Verbeeg nicht im geringsten.
»Drück ihm den dreckigen Hals zu!« rief einer.
»Quetsch ihm die Augen aus, und schmeiß ihn in ein dunkles Loch!« schlug ein anderer vor.
Biggrin betrat den Raum und schob sich schnell durch die Reihen, um den Grund der Unruhe herauszufinden. Es überraschte ihn nicht, daß die Verbeeg einen Ork quälten. Im Grunde belustigte ihn das Spektakel, aber er wußte auch, daß es gefährlich war, den Zorn des launischen Akar Kessell zu erregen. Er hatte mehr als einmal erlebt, wie ein widerspenstiger Goblin langsam getötet wurde, weil er nicht gehorcht hatte oder weil es dem Zauberer gerade großen Spaß bereitete. »Stellt das elende Ding auf den Boden«, befahl Biggrin mit ruhiger Stimme.
Rufe des Unmuts und wütendes Murren wurden um den Frostriesen laut.
»Schlag ihm den Kopf ein!« schrie einer.
»Beiß ihm die Nase ab!« kreischte ein anderer.
Inzwischen war das Gesicht des Orks aufgedunsen, weil er keine Luft mehr bekam, und er wehrte sich kaum noch. Der Verbeeg, der ihn festhielt, erwiderte Biggrins drohenden Blick einige Augenblicke lang, dann schleuderte er sein hilfloses Opfer dem Frostriesen vor die Füße.
»Da hast du ihn«, knurrte er Biggrin an. »Aber wenn er mich noch einmal so dumm anquatscht, werde ich ihn verspeisen!«
»Ich habe genug von diesem Loch«, beschwerte sich ein Riese aus der hinteren Reihe. »Da gibt es ein ganzes Tal voll mit dreckigen Zwergen zum Erobern!« Das Gemurmel um ihn schwoll erneut mit immer größerer Heftigkeit an.
Biggrin schaute sich um und schätzte ab, wie groß die Wut war, die sich in alle Soldaten eingeschlichen hatte und den Stützpunkt in der Höhle in einem plötzlichen Anfall unbeherrschter Gewalttätigkeiten zu zerstören drohte.
»Ab morgen abend gehen wir hinaus und sehen uns auf eigene Faust um«, stellte Biggrin in Aussicht. Es war ein gefährlicher Entschluß, das wußte er, aber jede andere Entscheidung bedeutete um so sicherer ein Chaos. »Nur drei Mann auf einmal, und niemand darf es erfahren!«
Der Ork hatte sich etwas erholt und hatte Biggrins Vorschlag mit anhören können. Er wollte Einspruch erheben, aber der Riese brachte ihn unverzüglich zum Schweigen.
»Halt den Mund, du Hund!« befahl Biggrin, sah zu dem Verbeeg hinüber, der den Läufer bedroht hatte, und lächelte spöttisch. »Oder ich erlaube meinem Freund, dich zu verspeisen!«
Die Riesen grölten vor Freude und schlugen sich gegenseitig auf die Schultern. Die
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