Die vergessenen Welten 03 - Die selbernen Ströme
geschwärzter Erde und nebelverhüllten Sümpfen, wo Verwesung und ein sich unentwegt aufdrängendes Gefühl der Gefahr die Oberhand über den strahlenden und sonnigen Himmel gewannen. Ständig stieg die Landschaft an und fiel dann wieder ab, und jedes Mal, wenn ein Reisender den Kamm einer Anhöhe in der Hoffnung erklommen hatte, diese Gegend endlich hinter sich zu lassen, wurde er angesichts des unveränderten Ausblicks nur erneut von Verzweiflung gepackt.
Jeden Frühling wagten sich die mutigen Reiter von Nesme in das Moor. Sie legten dann in langen Linien Brände, um die Monster aus diesem feindlichen Land von den Grenzen ihrer Stadt fernzuhalten. Inzwischen war es schon fast Frühsommer, und einige Wochen waren vergangen, seitdem zum letzten Mal Brände gelegt worden waren, aber noch immer waren die niedrigen Täler rauchverhangen, und von den größten der verkohlten Holzstöße ging noch immer Wärme aus, die sich mit der Luft mischte.
Den Reitern zum Trotz hatte Bruenor seine Freunde in das Trollmoor geführt und war entschlossen gewesen, sich nach Silbrigmond durchzuschlagen. Aber schon am Ende des ersten Reisetags begann er, die Richtigkeit seiner Entscheidung anzuzweifeln. In dieser Gegend mußte man ständig auf der Hut sein, und vor jedem Wäldchen mit abgebrannten Bäumen, auf das sie stießen, hielten sie erst einmal an, denn die schwarzen, kahlen Stümpfe und umgestürzten Stämme hatten eine beunruhigende Ähnlichkeit mit Sumpfkerlen. Mehr als einmal entpuppte sich der matschige Boden unter ihren Füßen als ein tiefes Schlammloch, und nur die schnellen Reaktionen eines Gefährten in der Nähe bewahrten sie jeweils davor, herauszufinden, wie tief diese Löcher wirklich waren.
Ein anhaltender, leichter Wind wehte über das Moor, in dem sich die Luft des warmen Bodens und der kühlen Sümpfe mischte. Zudem trug er einen Gestank mit sich, der verpesteter war als der Rauch und Ruß der Brände, einen widerlich süßen Geruch, der Drizzt Do'Urden nur zu vertraut war und ihn beunruhigte – der Gestank von Trollen.
Hier herrschten sie, und alle Gerüchte über das Ewige Moor, die die Gefährten in der behaglichen Atmosphäre des Fusseligen Bauernspießes gehört und mit einem Lachen abgetan hatten, hätten sie nicht auf jene Wirklichkeit vorbereiten können, die sich ihnen bei ihrer Ankunft plötzlich auftat.
Bruenor war davon ausgegangen, daß sie bei einem zügigen Tempo das Moor in fünf Tagen durchqueren konnten. Am ersten Tag legten sie wirklich die erforderliche Entfernung zurück, aber der Zwerg hatte die ständigen Umwege nicht bedacht, die unumgänglich waren, um die Sümpfe zu vermeiden. Obwohl sie an diesem ersten Tag mehr als zwanzig Meilen marschiert waren, waren sie doch nur zehn Meilen von ihrem Ausgangspunkt entfernt.
Aber bisher waren sie weder auf Trolle noch auf andere Feinde gestoßen, und am Abend bauten sie mit verhaltenem Optimismus ihr Lager auf.
»Hältst du Wache?« fragte Bruenor Drizzt, denn nur die Sinne des Dunkelelfen waren so geschärft, daß sie die Nacht überleben konnten.
Drizzt nickte. »Die ganze Nacht«, erwiderte er, und Bruenor hatte nichts dagegen. Der Zwerg wußte, daß die anderen sowieso kein Auge zutun würden, ob auf Wache oder nicht. Die Dunkelheit brach jäh und ohne Zwischenstufen herein. Bruenor, Regis und Wulfgar konnten ihre eigenen Hände nicht mehr sehen, selbst wenn sie sie nur einige Zentimeter vor ihr Gesicht hielten. Mit der Finsternis kamen die Geräusche eines erwachenden Alptraums. Saugende, schlürfende Schritte näherten sich ihnen von allen Seiten. Der Rauch vermischte sich mit dem nächtlichen Nebel und legte sich um die Stämme der kahlen Bäume. Der Wind wurde zwar nicht stärker, aber dafür der widerliche Gestank, und jetzt trug er auch noch das Stöhnen der gequälten Seelen der erbärmlichen Moorbewohner mit sich.
»Nehmt euer Gepäck«, flüsterte Drizzt seinen Freunden zu. »Was siehst du denn?« fragte Bruenor leise.
»Nichts Genaues«, kam die Antwort. »Aber wie ihr spüre ich, daß sie hier in der Nähe sind. Wir dürfen nicht sitzen bleiben, wenn sie kommen. Wir müssen uns zwischen ihnen bewegen, damit sie sich nicht um uns herum versammeln können.« »Meine Beine tun mir weh«, jammerte Regis. »Und meine Füße sind angeschwollen. Ich weiß nicht einmal, ob ich die Stiefel anbekomme!«
»Hilf ihm, Junge«, sagte Bruenor zu Wulfgar. »Der Elf hat recht. Wir tragen dich, wenn es sein muß, Knurrbauch, aber wir
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