Die vergessenen Welten 08 - Nacht ohne Sterne
wohl« zu sagen?
Dieser letzte Gedanke verfolgte mich die ganze Nacht. Zum ersten Mal, seit ich Mithril-Halle verlassen hatte, begann ich darüber nachzudenken, was ich, Drizzt Do'Urden, zu verlieren hatte. Ich dachte an meine Freunde, Montolio und Wulfgar, die diese Welt bereits verlassen hatten, und ich dachte an jene anderen, die ich wahrscheinlich niemals wiedersehen würde.
Ein Berg von Fragen türmte sich vor mir auf. Würde Bruenor jemals über den Verlust seines angenommenen Sohnes hinwegkommen? Und würde Catti-brie ihre eigene Trauer überwinden? Würde der verzauberte Funke, die pure Lust am Leben, jemals wieder in ihre blauen Augen zurückkehren? Würde ich jemals wieder meinen müden Kopf an Guenhwyvars muskulöse Flanke pressen können?
Mehr denn je wollte ich aus dieser Höhle laufen, zurück nach Mithril-Halle und zu meinen Freunden, um ihnen durch die Zeit ihrer Trauer zu helfen, sie zu führen und ihnen zuzuhören und sie einfach nur zu umarmen.
Doch wieder konnte ich jene Dinge nicht beiseite schieben, die mich in diese Höhle geführt hatten. Ich konnte nach MithrilHalle zurückkehren, aber das konnte auch meine dunkle Sippe. Ich gab mir nicht die Schuld an Wulfgars Tod - ich hatte nicht wissen können, daß die Dunkelelfen kommen würden. Aber jetzt konnte ich nicht verleugnen, daß ich Loths schreckliche Art und ihre unersättliche Gier kannte. Wenn die Drow zurückkehren und jenes - geliebte! - Licht in Catti-bries Augen auslöschen sollten, dann würde Drizzt Do'Urden tausend schreckliche Tode sterben.
Ich betete die ganze Nacht, aber ich erfuhr keine göttliche Eingebung. Am Ende kam ich zu der Erkenntnis, daß ich, wie stets, dem folgen mußte, was mein Herz für richtig hielt, und daß ich darauf vertrauen mußte, daß es mit Mielikkis Willen übereinstimmte.
Ich ließ das Feuer im Höhleneingang lodern. Ich mußte es solange wie möglich sehen können, während ich in den Tunnel schritt, um aus seinem Licht Mut zu schöpfen. Denn ich ging in die Dunkelheit.
Drizzt Do'Urden
Unerledigte Geschäfte
Berg'inyon Baenre hing mit dem Kopf nach unten von der weitgespannten Höhlendecke, wobei er fest an den Sattel seiner Reiteidechse geschnallt war. Der junge Krieger hatte einige Zeit gebraucht, um sich an diese Position zu gewöhnen, als Kommandeur der Eidechsenreiter von Baenre verbrachte er viel Zeit damit, die Stadt von diesem hohen Beobachtungspunkt aus zu betrachten. Eine Bewegung seitlich von ihm, hinter einer Ansammlung von Stalaktiten, alarmierte ihn. Er senkte mit einer Hand seine zehn Fuß lange Todeslanze; die andere hielt die Zügel der Eidechse, während sie auf dem Griff seiner gespannten Handarmbrust ruhte.
»Ich bin der Sohn des Hauses Baenre«, sagte er laut und nahm an, daß dies als Drohung genügen würde, um jeden Gedanken an irgendwelche Hinterhältigkeiten auszulöschen. Er blickte sich nach Unterstützung um und ließ seine freie Hand zu seiner Gürteltasche gleiten, in der sich sein Signalspiegel befand, ein abgeschirmter Metallstreifen, der auf einer Seite erhitzt war und benutzt wurde, um sich mit Wesen zu verständigen, die Infravision verwendeten. Dutzende von anderen Eidechsenreitern des Hauses Baenre waren in der Nähe, und sie würden auf Berg'inyons Signal alle herbeieilen.
»Ich bin der Sohn des Hauses Baenre«, sagte er noch einmal.
Der jüngste Baenre entspannte sich fast sofort, als sein älterer Bruder Dantrag, der eine noch größere UnterweltEidechse ritt, zwischen den Stalaktiten auftauchte. Der ältere Baenre sah wirklich seltsam aus, da sein Pferdeschwanz senkrecht von seinem Kopf nach unten hing.
»Genau wie ich«, erwiderte Dantrag und zügelte sein Reittier neben dem von Berg'inyon.
»Was tut Ihr hier oben«, fragte Berg'inyon. »Und wie habt Ihr Euch ohne meine Genehmigung die Eidechse verschafft?«
Dantrag antwortete mit einem spöttischen Lächeln.
»Verschafft?« erwiderte er. »Ich bin der Waffenmeister des Hauses Baenre. Ich habe mir die Eidechse genommen, und ich habe dafür keine Erlaubnis von Berg'inyon gebraucht.«
Der jüngere Baenre starrte ihn mit rotglühenden Augen an,
blieb aber stumm.
»Ihr vergeßt, wer Euch ausgebildet hat, mein Bruder«, bemerkte Dantrag ruhig.
Das stimmte, Berg'inyon würde niemals vergessen, konnte niemals vergessen, daß Dantrag sein Mentor gewesen war.
»Seid Ihr darauf vorbereitet, noch einmal Drizzt Do'Urden zu
begegnen?« Die unvermittelte Frage ließ Berg'inyon fast von seinem Reittier
Weitere Kostenlose Bücher