Die vergessenen Welten 08 - Nacht ohne Sterne
nicht lächerlich machen wollte. Während sie jedoch an ihrem Rucksack herumfummelte und nach Zunderdose, Laterne und Öl suchte, kam sie sich selbst jedoch genauso vor.
»Wißt Ihr, daß sie Euch mag?« fragte Fret beiläufig.
Diese Frage ließ die junge Frau innehalten. Sie blickte zu dem Zwerg hinüber, der nur ein kleiner dunkler Umriß vor dem helleren Grau der Nacht draußen war.
»Alustriel, meine ich«, erklärte Fret.
Catti-brie hatte darauf keine Antwort. Sie hatte sich in der Nähe der glanzvollen Herrin von Silbrigmond nicht sehr behaglich gefühlt, nein, ganz im Gegenteil. Ob absichtlich oder nicht, Alustriel hatte ihr das Gefühl gegeben, klein und völlig unwichtig zu sein.
»Das tut sie«, behauptete Fret. »Sie mag und bewundert Euch.«
»So, wie sie einen Ork bewundern würde«, herrschte Cattibrie ihn an, denn sie nahm an, daß er sie verspotten wollte.
»Ihr erinnert sie an ihre Schwester«, fuhr Fret fort, ohne sich irritieren zu lassen, »Taube Falkenhand, eine der beherztesten Frauen, die ich je getroffen habe.«
Dieses Mal erwiderte Catti-brie nichts darauf. Sie hatte schon viele Geschichten über Alustriels Schwester gehört, die eine legendäre Waldläuferin war, und hatte sich selbst insgeheim bereits mit ihr verglichen. Plötzlich klangen die Behauptungen des Zwerges für sie nicht mehr so absurd.
»Was Alustriel selbst angeht«, meinte Fret, »so wünscht sie jedenfalls, sie könnte mehr wie Ihr sein.«
»Oder wie ein Ork!« platzte Catti-brie heraus. Der Gedanke, daß Alustriel, die glorreiche Herrin von Silbrigmond, auch nur im entferntesten eifersüchtig auf Catti-brie sein könnte, schien ihr völlig abwegig.
»Menschen!« seufzte Fret. »Was ist mit Eurer Rasse nur los, daß keiner von Euch seinen eigenen Wert richtig einschätzen kann? Jeder Mensch scheint sich entweder für besser zu halten, als er ist, oder er hält sich für unwürdiger als angemessen! Alustriel mag Euch, sage ich, sie bewundert Euch sogar. Wenn sie das nicht täte, wenn sie Eure Pläne für albern halten würde, warum sollte sie sich dann solche Mühe machen? Warum würde sie dann mich, einen wertvollen Weisen, als Eure Begleitung mitschicken? Und warum, o Tochter von Bruenor Heldenhammer, würde sie Euch dann dieses geben?«
Er hob eine Hand, in der er einen zierlichen Gegenstand verborgen hielt, den Catti-brie nicht erkennen konnte. Sie hielt einen Moment inne, um zu überdenken, was er gesagt hatte, dann ging sie zu ihm hinüber.
Der Zwerg hielt eine fein gearbeitete Silberkette in Händen, einen diademartigen Kopfschmuck, in den ein Edelstein eingelassen war.
»Es ist wunderschön«, gab Catti-brie zu, während sie das blaßgrüne Juwel betrachtete, durch dessen Zentrum eine schwarze Linie verlief.
»Es ist mehr als nur wunderschön«, sagte Fret und bedeutete Catti-brie, das Geschmeide anzulegen.
Sie setzte es auf, so daß der Edelstein in der Mitte ihrer Stirn saß, und dann wurde ihr fast schwindlig, denn ihre Umgebung verschwamm vor ihren Augen und wellte sich plötzlich seltsam. Sie konnte den Zwerg sehen - nicht nur seinen Umriß, sondern tatsächlich Frets Gesichtszüge! Sie sah sich ungläubig um und richtete ihren Blick auf die Rückseite der Höhle. Ihr war, als sei der Ort in Sternenlicht getaucht. Es war zwar nicht strahlend hell, aber Catti-brie konnte die Buckel und Spalten auf dem Boden gut erkennen.
Sie selbst konnte dies natürlich nicht sehen, aber die dünne, schwarze Linie, die durch die Mitte des Edelsteins verlief, hatte sich wie eine Pupille geweitet.
»Es ist nicht besonders klug, mit einer flackernden Fackel in das Unterreich einzudringen«, bemerkte Fret. »Schon eine einzelne Kette würde zuviel ungebetene Aufmerksamkeit auf Euch lenken. Und wieviel Öl könntet Ihr überhaupt mitnehmen? Noch vor Ende des ersten Tages wäre Eure Laterne nutzlos. Mit dem Katzenauge braucht Ihr sie gar nicht erst.«
»Katzenauge?«
»Ein Katzenaugen-Achat«, erklärte Fret und deutete auf den Edelstein. »Alustriel selbst hat ihn verzaubert. Normalerweise würde Euch ein auf diese Art behandeltes Juwel nur verschiedene Grauschattierungen zeigen, aber die Herrin bevorzugt Sternenlicht. Nur wenige in den Reichen können sich rühmen, eine solche Gabe erhalten zu haben.«
Catti-brie nickte und wußte nicht, was sie darauf erwidern sollte. Als sie ihre Gefühle für die Herrin von Silbrigmond überdachte, spürte sie schmerzliche Stiche der Schuld. Sie hatte auf einmal das Gefühl,
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