Die vergessenen Welten 09 - Brüder des Dunkels
verschieben. Oblodra würde fallen und den dritten Platz leer zurücklassen, und da Faen Tlabbar plötzlich ohne reguläre Oberin Mutter war, war es denkbar, daß Haus Xorlarrin an ihm vorbei auf den begehrten Rang springen konnte.
Ghenni'tiroth war geopfert worden. Zeerith Q'Xorlarrin lächelte breit.
So war die Art der Drow.
Gromphs wohlgehütete Spinnenmaske, ein außergewöhnlicher magischer Gegenstand, der einzige in ganz Menzoberranzan, der es erlaubte, den Spinnwebzaun von Haus Baenre zu überwinden, flog in die Kohlenpfanne. Die Flammen schossen orangefarben und giftgrün in die Luft.
Mez'Barris nickte Baenre zu, und die verwitterte alte Oberin Mutter warf den Schwefelbrocken hinein, den ihr der Avatar gegeben hatte.
Wenn hundert aufgeregte Zwerge mit einem riesigen Blasebalg gepumpt hätten, hätte ihr Feuer nicht wilder aufflammen können. Die Flammen schossen in einer vielfarbigen Säule empor, die die acht Betrachter mit ihrer unheiligen Pracht fesselte.
»Was geht hier vor?« erklang eine Stimme aus dem vorderen Teil des Raumes, nahe der einzigen Tür. »Ihr wagt es, eine Ratsversammlung abzuhalten, ohne das Haus Oblodra zu informieren?«
Oberin Baenre, die am Kopf des Tisches saß und somit K'yorl den Rücken zuwandte, hob die Hand, um die anderen, die um die Spinnen-Kohlenpfanne versammelt waren, zu beruhigen. Langsam drehte sie sich zu ihrer Feindin um, und die beiden blickten einander giftig an.
»Die Henkerin lädt ihr Opfer nicht ein, zum Block zu kommen«, sagte Baenre ruhig. »Sie schleift es dorthin oder lockt es herbei.«
Baenres grobe Worte waren einigen der versammelten Drow unangenehm. Wenn man K'yorl taktvoller behandelt hätte, hätten vielleicht einige von ihnen mit dem Leben davonkommen können.
Oberin Baenre wußte es jedoch besser. Ihrer aller einzige Hoffnung, Baenres einzige Hoffnung, bestand darin, der Spinnenkönigin zu vertrauen, mit ganzem Herzen daran zu glauben, daß der Avatar sie nicht fehlgeleitet hatte.
Als K'yorls erst Welle geistiger Energie über Baenre hinwegbrandete, kamen allerdings auch ihr Zweifel. Sie hielt ein paar Sekunden stand, was eine bemerkenswerte Willenskraft verriet, aber dann überwältigte' K'yorl sie und schob sie zurück gegen den Tisch. Baenre spürte, wie sich ihre Füße vom Boden lösten. Sie fühlte sich, als hätte eine gigantische, unsichtbare Hand nach ihr gegriffen und schöbe sie nun auf die Flammen zu.
»Um wieviel großartiger doch der Ruf nach Lloth sein wird«, kreischte K'yorl begeistert, »wenn man Oberin Baenre den Flammen übergibt!«
Die anderen im Raum, insbesondere die fünf Oberinnen Mütter, wußten nicht, wie sie reagieren sollten. Mez'Barris senkte den Kopf und begann lautlos einen Zauberspruch zu murmeln, während sie gleichzeitig betete, daß Lloth sie erhören möge.
Zeerith und die anderen beobachteten die Flammen. Der Avatar hatte ihnen gesagt, daß sie dies tun sollten, aber warum war kein Verbündeter daraus erschienen, ein Tanar'ri oder ein anderer Unhold?
* * *
Im schlammerfüllten Abgrund saß Errtu auf seinem Pilzthron und ergötzte sich an der chaotischen Szene. Selbst durch den Wahrspiegel, den Lloth ihm überlassen hatte, konnte der große Tanar'ri die Angst der versammelten Anbeter fühlen und den bitteren Haß auf K'yorl Odrans Lippen schmecken.
Errtu beschloß, daß er K'yorl mochte. Hier war eine Frau nach seinem Herzen, vollkommen und entzückend böse, eine Mörderin, die aus purem Vergnügen tötete, eine Intrigantin, die nur um des Spaßes willen ihre Spiele spielte. Der große Tanar'ri hätte gern gesehen, wie K'yorl ihre Widersacherin in die Flammensäule schob.
Aber Lloths Befehle waren eindeutig gewesen, und der versprochene Tauschhandel war für den Unhold zu verlockend, als daß er ihn in den Wind schlagen konnte.
Erstaunlicherweise, wenn man den Zustand der Magie zur Zeit bedachte, öffnete sich das Feld, und es öffnete sich weit.
Errtu hatte bereits einen Tanar'ri, einen riesigen Glabrezu, durch ein kleineres Tor geschickt, um als Bote zu dienen, aber jenes Tor, das der Avatar selbst erzeugt hatte, war nur dürftig gewesen und war auch nur einen winzigen Moment lang offengeblieben. Errtu hatte nicht geglaubt, daß es wiederholt werden konnte, nicht jetzt.
Der Gedanke an das magische Chaos gab dem Unhold eine plötzliche Inspiration ein. Vielleicht waren die alten Regeln der Verbannung nicht mehr gültig. Vielleicht konnte er sogar selbst wieder auf die materielle Ebene
Weitere Kostenlose Bücher