Die vergessenen Welten 09 - Brüder des Dunkels
spöttischen Kreatur einen stählernen Blick zu.
»Ihr könnt mich nicht im Kampf besiegen, und Ihr seid mir auch in der Schlauheit nicht über«, sagte K'yorl mit ruhiger Stimme. »Ihr könnt nicht einmal Eure Gedanken vor mir verbergen. Der Krieg ist bereits zu Ende, bevor er noch begonnen hat.«
Ghenni'tiroth wollte ihre ganze Wut herausschreien, aber sie blieb ebenso still wie Fini'they, deren Herz auf dem Teller vor ihr lag.
»Wieviel Töten muß es denn geben?« fragte K'yorl und überraschte Ghenni'tiroth damit vollkommen. Die Oberin von Faen Tlabbar sah ihre Gegnerin mit einem mißtrauischen, aber vor allem neugierigen Blick an.
»Mein Haus ist klein«, bemerkte K'yorl, und das war durchaus richtig, sofern man nicht die Tausende von Koboldsklaven mitzählte, die, wie es hieß, in den Tunneln an den Rändern des Klauenspaltes, direkt unterhalb des Hauses Oblodra, herumwimmelten. »Und ich brauche Verbündete, wenn ich die verfluchte Baenre und ihre aufgeschwemmte Familie loswerden will.«
Ghenni'tiroth war sich nicht bewußt, daß sich ihre Zunge bewegte, über ihre dünnen Lippen leckte. Ein Funken Hoffnung glomm in ihr auf.
»Ihr könnt mich nicht besiegen«, wiederholte K'yorl. »Vielleicht werde ich eine Kapitulation annehmen.«
Das Wort behagte der stolzen Führerin des Vierten Hauses nicht.
»Dann also eine Allianz, wenn Ihr es lieber so nennen wollt«, ergänzte K'yorl, die den Blick richtig deutete. »Es ist kein Geheimnis, daß ich nicht das beste Verhältnis zur Spinnenkönigin habe.«
Ghenni'tiroth dachte über die möglichen Konsequenzen nach. Wenn sie K'yorl, die nicht Lloths Gunst besaß, dabei half, Baenre zu überwältigen, was würden die Folgen für ihr eigenes Haus sein, sobald alles vorüber war?
»Dies alles ist Baenres Schuld«, meinte K'yorl, die jeden von Ghenni'tiroths Gedanken las. »Baenre hat den Rückzug der Spinnenkönigin verursacht«, behauptete sie. »Sie konnte nicht einmal einen einzelnen Gefangenen bewachen oder ein angemessenes Hohes Ritual durchführen.«
Die Worte klangen wahr – schmerzlich wahr – für die Ohren von Ghenni'tiroth, die der Oberin Baenre bei weitem den Vorrang vor K'yorl Odran gab. Sie wollte widersprechen, doch das hätte ihren Tod und den Tod ihres Hauses zur Folge gehabt, da K'yorl so eindeutig im Vorteil war.
»Vielleicht werde ich eine Kapitulat...« K'yorl kicherte boshaft und unterbrach sich mitten im Satz. »Vielleicht würde eine Allianz uns beiden von Nutzen sein.«
Ghenni'tiroth leckte sich erneut die Lippen und wußte nicht, wohin sie sich wenden sollte. Ein kurzer Blick auf das Herz von Fini'they trug jedoch dazu bei, sie zu überzeugen. »Vielleicht«, sagte sie.
K'yorl nickte und lächelte erneut das verschlagene und berüchtigte Grinsen, von dem ganz Menzoberranzan wußte, daß es eine Lüge begleitete. Ghenni'tiroth erwiderte das Grinsen – bis sie gewahr wurde, mit wem sie es zu tun hatte, bis sie sich trotz der Versuchung durch den verlockenden Köder, den K'yorl ihr angeboten hatte, dazu zwang, sich an den Ruf dieser bösartigsten aller Drow zu erinnern.
»Vielleicht auch nicht«, sagte K'yorl ruhig, und Ghenni'tiroth wurde plötzlich von einer unsichtbaren Kraft zurückgestoßen, ein unsichtbarer, aber sehr wohl spürbarer Beweis für K'yorls mächtigen Willen.
Die Oberin von Faen Tlabbar zuckte und wand sich, und sie hörte eine ihrer Rippen knacken. Sie versuchte, K'yorl anzuschreien, versuchte, eine letzte, verzweifelte Bitte an Lloth hervorzubringen, aber ihre Worte wurden abgewürgt, als eine unsichtbare Hand ihr die Kehle zusammendrückte und ihr die Luft abschnürte.
Ghenni'tiroth zuckte abermals heftig und noch einmal, und weitere Knackgeräusche erklangen aus ihrer Brust, als der Druck auf ihren Leib größer wurde. Sie taumelte zurück und wäre zu Boden gefallen, wenn K'yorl ihren schlanken Körper nicht fest in ihrem geistigen Griff gehalten hätte.
»Es tut mir leid, daß Fini'theys Herz nicht genügt hat, um Eure machtlose Spinnenkönigin herzubeschwören«, höhnte K'yorl in kühner Blasphemie.
Ghenni'tiroths Augen quollen vor, und es sah aus, als würden sie aus den Höhlen springen. Ihr Rücken krümmte sich schmerzhaft, und aus ihrer Kehle strömten gurgelnde Geräusche. Sie riß an ihrem eigenen Hals in dem verzweifelten Versuch, die unsichtbare Hand zu erwischen, aber es gelang ihr nur, sich selbst blutige Wunden zuzufügen.
Dann erklang ein letztes Krachen, ein lautes Knacken, und
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