Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
Tee-a-nicknick, die links und rechts von ihm standen, erwiderten nichts darauf.
»Einfach wunderbar«, sagte der dem Tode geweihte Ganove noch einmal. Morik war es nichts Neues, sich in ziemlich verzweifelten Situationen wiederzufinden, aber dies war das erste Mal, dass er das Gefühl völliger Ausweglosigkeit empfand. Er warf Tee-a-nicknick einen Blick völliger Verachtung zu und richtete seine Aufmerksamkeit dann auf Wulfgar. Der große Barbar schien so gleichgültig gegenüber dem ganzen Höllenaufruhr um ihn herum, dass Morik ihn um seine Entrücktheit beneidete.
Der Ganove hörte Jharkhelds Possen, mit denen er die Menge aufpeitschte. Er entschuldigte sich für die nicht sehr unterhaltsame Art von Grauser Raffers Hinrichtung und erläuterte, warum eine solche Milde manchmal notwendig war. Warum sollte denn sonst schließlich jemand gestehen?
Morik blendete das Geplapper des Magistrats aus und versetzte seinen Geist an einen Ort, wo er glücklich und in Sicherheit war. Er dachte an Wulfgar, daran, wie sie trotz aller Widrigkeiten Freunde geworden waren. Einst waren sie Rivalen gewesen. Auf der einen Seite der neue Barbar, der sich rasch einen Ruf in der Halbmondstraße erwarb, vor allem, nachdem er den brutalen Baumstammbrecher getötet hatte. Auf der anderen Morik, der Einzige in dem Viertel, der noch einen Ruf zu verteidigen hatte, und der daher beschlossen hatte, Wulfgar zu beseitigen, auch wenn Mord niemals wirklich zu den bevorzugten Methoden des Gauners gehört hatte.
Dann hatte eine außerordentlich seltsame Begegnung stattgefunden. Ein Dunkelelf – ein verdammter Drow! – war zu Morik in sein gemietetes Zimmer gekommen. Er war einfach ohne Warnung erschienen und hatte Morik angewiesen, Wulfgar zu überwachen, ihm aber nichts anzutun. Der Dunkelelf hatte den Ganoven gut bezahlt. Morik, der erkannt hatte, dass Goldmünzen ein besserer Lohn waren als die scharfe Schneide einer Drow-Waffe, hatte sich gefügt und Wulfgar von Tag zu Tag intensiver beobachtet.
Sie waren sogar Trinkkumpane geworden und hatten lange Abende miteinander am Hafen verbracht, die manchmal erst in der Morgendämmerung geendet hatten.
Morik hatte nie wieder von dem Dunkelelf gehört. Er bezweifelte, dass er den Auftrag übernommen hätte, wenn der Befehl an ihn ergangen wäre, Wulfgar zu beseitigen. Ihm wurde jetzt klar, dass er Wulfgar sogar beigestanden hätte, wenn er gehört hätte, dass die Dunkelelfen es auf den Barbaren abgesehen hatten.
Na ja, gestand sich der Ganove etwas realistischer ein, vielleicht hätte er ihm nicht beigestanden, aber zumindest hätte er ihn gewarnt und wäre dann weit, weit weggelaufen.
Jetzt gab es keine Möglichkeit wegzulaufen. Morik fragte sich erneut, ob die Dunkelelfen wohl auftauchen würden, um diesen Menschen zu retten, für den sie ein solches Interesse gezeigt hatten. Vielleicht würde eine ganze Legion von Drowkriegern den Sträflingskarneval stürmen und sich mit ihren scharfen Klingen einen Weg durch die makaber entzückten Zuschauer schlagen, um zu der Plattform zu gelangen.
Dieses Fantasiegebilde konnte keinen Bestand haben, denn Morik wusste, dass sie Wulfgar nicht retten würden. Nicht dieses Mal. »Es tut mir wirklich Leid, mein Freund«, entschuldigte er sich bei Wulfgar, denn Morik konnte den Gedanken nicht loswerden, dass diese Situation zum großen Teil seine Schuld war.
Wulfgar antwortete nicht. Morik begriff, dass der riesige Mann nicht einmal seine Worte gehört hatte, dass sein Freund bereits weit weg von hier war und sich tief in sich selbst verloren hatte.
Vielleicht war das das Beste, was man tun konnte. Wenn er sich den johlenden Mob ansah, Jharkhelds aufpeitschende Reden hörte und den kopflosen Körper von Grauser Raffer betrachtete, wünschte sich Morik, dass auch er sich so von allem zurückziehen könnte.
Der Magistrat erzählte erneut die Geschichte Grauser Raffers, wie die anderen drei geplant hatten, den hoch geehrten Kapitän Deudermont zu ermorden. Jharkheld trat zu Wulfgar hinüber. Er musterte den verurteilten Mann, schüttelte den Kopf und drehte sich dann, eine Reaktion erheischend, wieder zu dem Mob um.
Ein Sturm aus Beschimpfungen und Flüchen brandete auf.
»Du bist der Schlimmste von allen!«, schrie Jharkheld in das Gesicht des Barbaren. »Er war dein Freund, und du hast ihn verraten!«
»Lasst ihn auf Deudermonts eigenem Schiff kielholen!«, wurde eine anonyme Forderung laut.
»Vierteilt ihn und verfüttert ihn an die Fische!«, schrie
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