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Die Vergessenen

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Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Aufräumkommando moralisch im Ungewissen waren.
    »Du musst dich schon etwas deutlicher ausdrücken, Katarin«, sagte er. »Berichte mir genau, was passiert ist.«
    Sie wandte sich wieder ihm zu. »Miloh hat geschossen, und wie geplant, hat sich Tombs’ Beschützer auf ihn gestürzt unddamit David und den anderen ihre Gelegenheit verschafft. Sie aktivierten die Abwehrschirme zwischen Tombs und diesem Beschützer und griffen sich den Mann. Jetzt liegen sie mit einer Ausnahme im Krankenhaus von Greenport.« Sie schüttelte den Kopf und wirkte bestürzt.
    »Also konnte dieser Beschützer, irgendeine Art intelligenter Hardware, zu ihnen vordringen«, stellte Ripple-John fest. »Aber er hat sie nicht umgebracht. Sind sie schlimm verletzt?«
    »Schwer zu beschreiben.«
    »Tu dein Bestes, meine Liebe.«
    »Miloh hat die Hände verloren, aber es ist noch schlimmer: Seine Handgelenke sind mit dem Gewehr verschmolzen, das zu einer semiorganischen Erweiterung des Körpers wurde.«
    »Was?«
    »Was immer ihn angegriffen hat, hat ihn praktisch an einen Doppel-T-Träger gefesselt, mit dem Gewehr als Handschellen. Die Wartungsleute vom Hafen haben es durchzuschneiden versucht.« Sie brach ab und suchte nach den richtigen Worten. »Sie mussten ihn ins Krankenhaus bringen, mit einem Wundverband an dem beschissenen Gewehr!«
    Ripple-John lehnte sich auf seinem Regiestuhl zurück und verarbeitete das. Tinsch war auf ein hübsches sauberes Attentat ohne alle weiteren Verluste bedacht gewesen, und John hatte von Anfang an gewusst, dass dieser Ansatz falsch war. Da Tombs für die Polis wichtig war, genoss er starken Schutz und war nur zu erreichen, wenn man etwas Substanzielleres benutzte – eine Bombe, Nervengas, die Art Waffe, vor der ihn kein Leibwächter irgendeiner Art schützen konnte, so etwas wie der Inhalt des Kanisters, der jetzt ein paar Meter von Ripple-John entfernt am Balkongeländer stand.
    »Was ist mit den anderen?«
    »Franklin, Amira und Joden sind in einer ähnlichen Verfassung wie Miloh. Franklin ist an den Knöcheln mit einer Gehwegplatte verschmolzen; Amiras Konsole stellt inzwischen eine Erweiterung ihrer Handgelenke dar, und Jodens Rücken ist mit einem Stück Wand zusammengewachsen.«
    »Also, was immer Tombs beschützt spielt gern den Komiker. Wir werden jedoch noch sehen, wie es mit dem Empfang fertig wird, den ich hier vorbereitet habe.«
    »Bist du an der Wegstation?«, fragte Katarin.
    »Ganz gewiss.«
    »Tombs hat einen weiteren Beschützer«, sagte sie. »Du musst das auf Earthnet gesehen haben.«
    »Aber sicher. Leif Grant – ich hatte ihn nie für einen Verräter gehalten. Und was ist aus unserem David Tinsch geworden?«
    »Der Verstärker, den er an Tombs benutzen wollte, landete letztlich an seinem eigenen Kopf.«
    »Ich habe von Anfang an gesagt, dass das eine schlechte Idee ist – wir sind das Aufräumkommando, und wir verhandeln nicht mit der Polis.« Ripple-John unterbrach sich, empfand auf einmal Zweifel. Nachdem er den Kontakt zu seinen engen Kameraden beim Aufräumkommando verloren hatte, hatte er auf die sichere Komverbindung zurückgegriffen, die er nur im äußersten Notfall benutzen sollte, und wer immer dort mit ihm gesprochen hatte, erteilte die Anweisung, das Attentat abzublasen. Im Lichte dessen schien es, dass die Polis die oberen Ränge des Kommandos unterwandert hatte, und er nur noch den Personen Vertrauen konnte, denen er von jeher traute. »Also wurde sein Gehirn vermurkst oder so etwas?«
    »So etwas.«
    »Erkläre das.«
    »Als ich ihn im Krankenhaus sah, wurden sie gerade damit fertig, ihn zu verhören. Er saß nur da und weinte und sagte, dass es ihm leidtäte. Gestern wurde er ins Krankenhaus von Zealos verlegt, und man hat mir gesagt, dort würden Polis-Gedankentechs ihn sich einmal ansehen.«
    »Also liegt es jetzt an mir allein.«
    Katarin starrte ihn nur lange an, ehe sie antwortete: »Vielleicht sollten wir die Sache einfach vergessen. Ist der Tod eines einzelnen verrückten Proktors die Verluste wert?«
    Sie wurde also weich, hatte das Ideal aus den Augen verloren. Masada konnte sich nicht weiterentwickeln, bis jeder verdammte Theokrat tot war. Es konnte sich nicht neu orientieren, bis jede Spur der Theokratie ausgelöscht worden war, und bis jeder Gläubige sich entweder für den Atheismus oder den Tod entschieden hatte. Die Arbeit des Aufräumkommandos dauerte vielleicht Jahrhunderte, wie John wusste, und in Anbetracht dessen konnten sie jetzt keine Rücksicht auf

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