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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Schnatterente Worte verlorenen Sinnes«, sagte er.
    »Einen Lyrikband haben sie dir also gegeben.«
    Im Führerhaus des Geländewagens wurde es dunkel, als Grant in den Tunnel fuhr, und es wurde finster, als sich das große Tor hinter ihnen schloss. Dann breitete sich ein gespenstisches blaues Leuchten im Tunnel aus, als die Lampen flackernd ihre Arbeit aufnahmen. Jem blinzelte und hatte euklidische Nachbilder in den Augen, die Shrees Gesicht wie Frakturen überlagerten.
    »Ich habe drei kleine Appartements für uns gebucht«, sagte Grant. »Im Grunde ein Glücksfall, da derzeit kaum freie Plätze vorhanden sind – Straßenarbeiter sind hier abgestiegen.«
    »Arbeiten sie an den Schäden, die wir gesehen haben?«, fragte Shree.
    »Vermutlich.« Grant zuckte die Achseln.
    Die Schäden hatten sie ein paar Stunden lang aufgehalten, und sie hatten die Zeit genutzt, um kurz ein Lager aufzuschlagen und Vorräte zu verteilen. Shree hatte nicht lockergelassen und Jem fortwährend zugesetzt, indem sie Fragen nach seinen Überzeugungen, seiner Meinung über die Theokratie und die Polis stellte. Um dem zu entrinnen, hatte Jem einen Spaziergang unternommen und sich die Schäden einmal angesehen. Eine mächtige Narbe zog sich quer über die Straße – wo die Wurzelstockmatte vollständig aufgerissen war und der schwarze, trikonus-infizierte Schlamm darunter freilag. Anscheinend kam dergleichen häufig vor, dass die Trikonusse die Straße attackierten, als wäre es eine richtige Konstruktion und nicht nur ein durch das Flötengrasgehämmerter Weg. Auf der anderen Seite der Furche hatte ein großer Lkw mit einem Ladearm gestanden, die Pritsche voller Platten aus Plastimaschen für die Reparatur, aber Arbeiter waren keine zu sehen gewesen.
    Die restlichen Vorräte wurden schnell wieder weggepackt, und Grant lenkte den Geländewagen von der Straße. Er walzte durch das Flötengras neben dem Riss und kämpfte sich über Schlammböschungen hinweg, und der schnabelbewehrte monströse Kopf einer Schlammschlange trat wie ein riesiger Pferdekopf kurz neben ihnen an die Oberfläche, als wären sie gerade über den restlichen Körper hinweggefahren. Da es so leicht war, abseits der Straße zu fahren, fragte sich Jem, warum man sich überhaupt die Mühe mit einer Straße machte, aber diese Umgehung zeigte es ihm. Die Lkw, die gewöhnlich diesen Weg nahmen, konnten zwar abseits der Straße fahren, waren aber nicht so wendig wie der Geländewagen und kamen auf freier Straße viel schneller voran. Nach dieser Aktion dauerte es noch zwei Stunden bis zur Wegstation, die für Jem unsichtbar blieb, bis sich das Haupttor geöffnet hatte, denn Flötengrasrhizome überwucherten die Außenflächen und tarnten sie so.
    Jetzt öffnete sich das Innentor, und das hellere künstliche Licht von innerhalb der Anlage flutete den Tunnel. Grant lenkte den Geländewagen auf die zentrale Fläche. Hier parkten die Fahrzeuge direkt auf dem Schaumsteinfloß, während ringsherum knorrige Traubenbäume auf erhöhten Beeten wuchsen, in ihrem Schatten graue grasartige Massen, durchsetzt mit roten, gelben und weißen Blüten sowie exotischen Kombinationen dazwischen. Jem fragte sich, wessen Bischofs Gärtnereiprojekt das gewesen war, und ob seine Überreste in diesen Blumenbeeten oder draußen ruhten. Grant parkte den Geländewagen neben einer großen Planierraupe und schaltete ihn ab.
    Sowohl Grant als auch Shree nahmen ihre Taschen mit aus dem Fahrzeug, und angesichts dessen erlebte Jem ein unvermitteltes Verlustgefühl. Sein einziger Besitz war derzeit die Kleidung, die er am Leibe trug, und selbst diese konnte vielleicht nicht wirklich als sein Besitz betrachtet werden. Er hatte nicht mal eine Tasche mit einigen persönlichen Dingen wie Hygieneartikeln, einem Palmtop oder auch nur einer Armbanduhr. Diesem Gefühl folgte eine nostalgische Sehnsucht nach seinem Zimmer im Sanatorium auf dem Fuße. Erst als er seinen beiden Begleitern aus dem Geländewagen gefolgt war, fragte er sich, warum er keine Sehnsucht nach seiner Proktorenunterkunft im Triada-Lager verspürte. Jener Lebensabschnitt lag ihm inzwischen so abgründig fern, und obwohl er die seither vergangenen Jahre in so etwas wie einem Delirium verbracht hatte, blieb ihr Einfluss lebendig. Noch tiefer in der Vergangenheit lagen die Familienunterkunft in Zealos, Eltern, die mit einer Sauerstoffschuld zu kämpfen hatten, und ein Vater, der an den Strapazen starb, wonach Jem die Schulden mit dem ersten

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