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Die Vergessenen

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Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Erdoberfläche den Kurs und fuhr Richtung einer nahen Unterströmung aus weicherem Matsch, die sich zwischen uralten Schichten vermoderter Rhizome bewegte.
    Falls der Techniker nicht selbst den Kurs änderte, würde Chanter ihn in ungefähr zwei Stunden abfangen. Dann konnte er mit der Kreatur Schritt halten, bis sie das nächste Mal Beute erlegte. Er war überzeugt, dass die Kreatur auf irgendeine Art und Weise von den kürzlichen Ereignissen wusste. Sie musste wissen, dass ihr lebendes Kunstwerk Jeremiah Tombs ebenfalls unterwegs war, und sie reagierte darauf. Und vielleicht führte sogar nach zwanzig Jahren ohne Produkt, ohne Kunst, ihre nächste erlegte Beute zu etwas Neuem, etwas anderem, etwas, dem Chanter Erklärungen entnehmen konnte, irgendeine Art Auflösung …
    Die Dämmerung brachte keine Beruhigung der Dinge, lediglich bessere Sichtbarkeit der Verwüstungen. Die Wegstation sah aus, als hätte ein Titan sie mit einem riesenhaften Hackebeil zerlegt, dann die Eingeweide herausgerissen und in der Landschaft der Umgebung verstreut. Eine große Trikonusschale, die fast so lang war wie Grants Geländewagen, bot den dreien willkommene Deckung. Andere hatten sich in Trümmern versteckt – Jem hatte gesehen, wie Menschen aus dem großen Brocken des Appartementhaus hervorlugten, das hundert Meter entfernt schräg im Schlamm aufgeschlagen war. Wieder andere hatten nicht so viel Glück gehabt. Nur wenige Meter vom Versteck der drei hinter der Schale lag der Kopf einer Frau, und ein Stück weiter etwas, was vielleicht mal ihr Umweltstiefel gewesen war und nach wie vor den Fuß enthielt.
    Die Überreste von Mensch und Maschine lagen ringsherum in der Landschaft verstreut. Nach den Wrackstücken zu urteilen, die quer vor der einstigen Hauptzufahrt der Wegstation verschmiert waren, hatte keines der hinausfahrenden Fahrzeuge entkommen können. Während Jem die Wirbel in der Krümmung der Schale vor ihm studierte, fragte er sich, ob überhaupt jemand dem Einzugsbereich der Verwüstungen entronnen war, einschließlich jener, die von den Drachenmenschen abgeholt worden waren.
    »Ich denke, es ist beschissen eindeutig, dass ihnen nichts entgeht«, sagte Shree.
    »Sie suchen noch immer nach sterbenden Schnatterenten«, sagte Grant. »Und sie werden sich auf alles stürzen, was sich bewegt.«
    »Und wann hören sie auf zu suchen?«
    »Nach dem letzten Treffer berichtete mir Penny Royal, das Hormon hätte sich über eine Fläche von zwanzig Quadratkilometern ausgebreitet, und er sprach von etwas, das man eine Katastrophenkaskade nennt.«
    »Ach ja?«
    Grant wirkte, wie Jem fand, in diesem Irrsinn völlig gelassen und die Ruhe selbst, und wie es schien, galt das auch für Jem selbst. Wo sind meine Schuldgefühle?, fragte er sich. Wo ist mein Schmerz? Die Antwort auf diese Fragen wirkte in ihrer Schlichtheit verblüffend: Der Organismus, aus dem er bestand, bot diesen Gefühlen keinen Platz, während er ums eigene Leben kämpfte. Schuldgefühle und andere emotionelle Leiden waren Luxus, den sich nur leisten konnte, wer auch über die Ressourcen verfügte, um sie darauf zu verschwenden.
    »Das Todeshormon einer einzelnen Schnatterente reicht, je nach Windrichtung und Luftqualität, um Kapuzler aus den umliegenden fünfzig Quadratkilometern Flötengras anzulocken«, erklärte der Soldat. »Sofern wir keinen Nordwind erhalten, der das alles über die Südküste hinausbläst, könnte genug Hormon in der Luft gelöst sein, um die Kapuzler hier unten über die gesamte ostwestliche Breite des Kontinents verrückt zu machen.«
    »Hoffen wir, dass sie dem Wind ins Meer folgen«, sagte Shree.
    Grant betrachtete sie gelassen. »Man hat mir gesagt, dass das möglich ist, weshalb auch jedes einzelne Fahrzeug in Greenport, einschließlich der Frachtschiffe, im Einsatz ist, um die dortige Bevölkerung nach Osten zu bringen. Deshalb ist auch kein Fahrzeug verfügbar, das uns hier helfen könnte.«
    »Ich dachte, er wäre wichtig.« Shree deutete mit einem Finger auf Jem.
    »Das ist er, aber wir sind jetzt in Sicherheit.«
    »Behauptet das Penny Royal?« Sie deutete mit dem Kopf auf einen Turm aus Schattenmessern, der durch die Landschaft glitt und eine Position zwischen ihnen und der Linie eines Kapuzlers bezog, der sich wie eine schwarze Einschienenbahn unterhalb des Horizonts entlangbewegte. Praktisch, dass die riesige Anzahl Kapuzler in der Gegend das meiste Flötengras flach gedrückt hatte, denn jetzt sahen sie sie kommen.
    »Nein, das

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