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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ab.
    Grant zuckte die Achseln. »Wir suchen Dragon Down auf, wo Tombs seine nächste Schockbehandlung oder Offenbarung oder was auch immer erhält.«
    »Was für eine Art Schock?«, fragte sie.
    Grant wusste ganz genau, worum es bei dem Schock ging, aber beinahe instinktiv wollte er Shree gegenüber so wenig wie möglich davon offenlegen. Lag es daran, dass über ihre Augen ein ganzes Publikum alles miterlebte? Oder lag es an ihrem nach wie vor erkennbaren Hass auf die Theokratie und auf Tombs? Grant empfand auf einmal Überraschung. Indem er über Shree Enkaras erkennbare Gefühle nachdachte, hatte er bemerkt, dass seine eigenen Gefühle abgestumpft waren. Hasste er Tombs? Nein. Hasste er die Theokratie? Nicht mehr, als man die Leiche eines Feindes hassen kann.
    »Keine Ahnung«, behauptete er. »Etwas, das Amistad arrangiert hat.«
    Shree schüttelte den Kopf und verriet fast zu deutlich ihre Enttäuschung. »Sicherlich sollte er doch jetzt die Atheter-KI besuchen. Ich weiß, dass sie nur Hologramme projiziert, aber zu erleben, wie eine Schnatterente mit ihm spricht, würde das seine Psyche nicht stärker lockern als alles andere? Die Atheter-KI könnte vermutlich sogar in der Athetersprache mit ihm reden, und er würde es vermutlich verstehen.«
    Ungeachtet ihrer Medienkontakte war es Shree offensichtlich unbekannt, dass die Atheter-KI nicht mehr redete, und dass sie zuletzt vor zwanzig Jahren das Bild einer Schnatterente projiziert hatte. Die Polis-KIs mussten das alles gründlich geheim gehaltenhaben. Vielleicht respektierten sie die Privatsphäre eines Bundesgenossen.
    »Scheint mir eine gute Idee«, sagte Grant. »Aber was zum Teufel weiß ich denn schon? Ich wäre schon gar nicht auf die Idee gekommen, dass es eine gute Therapie ist, wenn man zusieht, wie sich jemand das eigene Gesicht abhackt.«
    »Wenn Tombs damit wieder zu Verstand gekommen ist.«
    »Was für ein Verstand?«
    Shree schnaubte abschätzig und blickte zur Seite. Vielleicht hatte sie eine eigene feste Vorstellung von einer Antwort auf diese Frage. Grant wurde sich bewusst, dass er selbst einmal eigene feste Ideen über solche Dinge gehegt, aber inzwischen erfahren hatte, dass viele Ideen ihren ersten Kontakt mit der Wirklichkeit nicht überlebten.
    Sie richtete den Blick wieder auf ihn. »Ich weiß nur, dass eine abschließende Begegnung wie diese für mich perfekt wäre.« Sie deutete auf die Fenster. »Andererseits ist ein ordentlicher Höhepunkt für die Story, die ich von hier aus sende, nicht die vorrangige Sorge von KIs wie Amistad.«
    Nein, dachte Grant, Amistad sorgt sich gerade darüber, dass eine zwei Millionen Jahre alte, Zivilisationen vernichtende Maschine hierher unterwegs ist. Er gestattete sich ein schmales Lächeln – Shrees Story stand im Begriff, sehr viel größer zu werden.
    »Was amüsiert dich?«, fragte sie mit einem scharfen Unterton.
    »Ich denke mir nur«, antwortete Grant, »dass Amistad keine Einwände erheben wird, wenn Tombs’ Reise zur Atheter-KI führt – vermutlich eher im Gegenteil.« Falls Tombs dieser Intelligenz eine Reaktion entlockte, erzielte er damit ein Ergebnis, um das sich die Polis-KIs seit fast zwei Jahrzehnten bemühten.
    »Also ist das unser Ziel?«
    »Die Entscheidung liegt nicht bei mir.«
    »Warum fragst du nicht Amistad?«
    »Du verstehst es nicht.« Grant legte die verschränkten Händeauf den Tisch. »Amistad denkt, dass es vielleicht überflüssig ist, wenn Tombs Dragon Down aufsucht, aber er lässt der Sache ihren Lauf. Die Drohne hat derzeit andere Eisen im Feuer. Wohin sich Tombs von Dragon Down aus wendet, hängt von ihnen ab. Wenn alles so weit ist, wird die Drohne hier unten auftauchen und ein sehr langes Gespräch mit Tombs führen.«
    »Also warten wir einfach in Dragon Down, bis diese anderen Fragen geklärt sind.«
    »Nein, ich soll Tombs bringen, wohin immer er möchte.«
    »Warum dann nicht zur KI?«
    »Das wird uns vielleicht gestattet, aber es ist seine Entscheidung«, sagte Grant.
    »Er ist ein beschissener Proktor, Grant!«
    »Er ist ein freier Polisbürger, Shree.« Grant sah sie unverwandt an. »Wenn du möchtest, dass er die Atheter-KI aufsucht, solltest du ihn darum bitten.«
    Das gefiel ihr ganz und gar nicht, aber Grant schien einfach nicht die Energie aufzubringen, sich darum zu scheren.
    Drachenmenschen gingen, wie es schien, bei Benennungen sehr wörtlich ans Werk. Die beiden ersten Drachenmenschen, geschaffen von dem riesigen Außerirdischen, der sich selbst

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