Die Vergessenen

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Autoren: Bastei Lübbe

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konnte.«
    Chanter schüttelte den Kopf. »Das ist jetzt alles viel zu kompliziert geworden, und zu viele Leute sind beteiligt. Wie kann ich zum Kern der Dinge vordringen, wenn Experten und KIs jedesFitzelchen an Daten überanalysieren? Manche Dinge sollten unangetastet bleiben. Manche Rätsel sollten Rätsel bleiben.«
    »Das habe ich auch einmal geglaubt«, sagte Jem.
    Chanter funkelte ihn an, und sein Gesicht wurde dunkelrot. »Das hat nichts mit verdammter Religion zu tun!«
    Jem zuckte die Achseln. Ihm schien, dass es zwar nichts mit organisierter Religion zu tun hatte, aber alles mit Glauben – dieser behaglichen Zuflucht vor den Verwicklungen der Realität.
    »Wohin wirst du dich jetzt wenden?«, fragte er.
    »Wo alles klarer ist, weniger kompliziert, wo ich nachdenken kann.«
    Chanter ging weiter, und Jem ließ ihn gehen. Wer war er denn schon, um mit dem Mann zu streiten? Er hatte erst damit begonnen, die Welt in seinem Kopf zu ordnen, als er den Verstand eines anderen benutzte. Der Amphibienadaptierte erreichte das Erd-Uboot, hob eine Hand zum Abschiedsgruß, und ein grelles Licht flammte auf, riss sein Fahrzeug in die Höhe und zerbrach es in zwei Teile. Der Donnerschlag der Explosion war eher zu spüren als zu hören.
    Als Grant den Schauplatz der Explosion erreichte, wimmelte es dort schon von Drachenmenschen, und selbst in der Nacht erkannte er Blau unter ihnen.
    »Wo sind sie?«, bellte er.
    Blau streckte die flache Hand aus, drehte sie und deutete hinüber. Grant ging dorthin. Jeremiah Tombs lag auf den Knien. Er betete nicht, sondern barg Chanters Kopf auf dem Schoß. Der Amphibienadaptierte sah schlimm aus, von Kopf bis Fuß verbrannt, ein Bein ebenso abgerissen wie ein Teil des Kopfes, sodass der zermalmte Inhalt erkennbar war. Sofern der Mann kein Memoplantat aufbewahrte, gab es für ihn keine Rückkehr.
    »Scheiße!«, sagte Grant. »Scheiße!«
    Tombs blickte auf, und die Augen wirkten in der Beinahedunkelheit seltsam hell, spiegelten das Licht wie die Augen eines Tieres.
    »Er wollte an einen Ort gehen, wo alles klarer ist, weniger kompliziert, wo er nachdenken konnte«, sagte Tombs.
    »Und du glaubst, er wäre dorthin gegangen?« Grant konnte seine Verachtung nicht verhehlen.
    »Nein, er ist einfach nur tot.«

KAPITEL SECHZEHN
    Als man die Atheter-KI entdeckt hatte, herrschte große Aufregung darüber. Die schiere Größe des Speicherkristalls, der sie barg, gab Hinweis darauf, dass man hier den Hüter der Schwelle zu einem gewaltigen Fundus an außerirdischem Wissen vor sich hatte. Einen Vorteil schlug man gleich beim ersten Kontakt mit der KI heraus: eine Methode der Subraumsondierung, um Muster zu entdecken, die von Dschainaknoten aus dem Realraum heraus erzeugt wurden, was deren Auffindung ermöglichte. Ein späterer Kontakt zeigte einen Schnappschuss aus der tragischen Geschichte der Atheter, aber das war im Grunde nicht so viel mehr, als man bereits vermutet hatte. Dann schaltete sich die KI für zwanzig Jahre ab. Als diese Schweigeperiode schließlich endete, wurden erneut und auf indirektem Wege Informationen der KI zugänglich, erwiesen sich jedoch als enttäuschend. Die enorme Menge an Astrogationsdaten, Studien der Atheter-Himmelskörper, Sterne, Planeten, Asteroiden sowie die Subraumkarten erbrachten kaum etwas, was neu und unbekannt gewesen wäre; die Fragmente der Athetergeschichte waren sehr interessant, aber zensiert, und die technischen Daten entsprachen lediglich dem aktuellen Entwicklungsstand der Polis. Zwar wurde auch alles Weitere zugänglich, das die Polis-KIs interessierte – vor allem fortgeschrittene Technik –, aber nur als bedächtiges Rinnsal und bei genug Gegenleistung. Die Atheter-KI war schlau genug zu erkennen, wie dumm es gewesen wäre, eine solch wertvolle Ware einfach zu verschenken.
    aus Wie es aussieht von Gordon
    Der Mann namens Sharn saß ihr im Geländewagen gegenüber und hielt sich die Nase, um die Blutung zu stoppen. Anscheinend war sie nicht die Einzige hier, die Opfer von Ripple-Johns Gewalttätigkeit wurde. Wie es aussah, handelte es sich bei Sharn um einen »beschissenen Idioten mit dem Gehirn einer Schlammschlange«. Sharn hatte jemanden umgebracht – so viel schien deutlich –, und jetzt war Ripple-John besorgt und konnte einfach nicht stillhalten.
    »Warum nehmen wir diesen Weg?«, fragte der Typ namens Blitz vom Fahrersitz her. »Sicherlich sollten wir doch in der Nähe bleiben – denn wir wissen nicht, wohin sie ihn als Nächstes