Die Vergessenen
gebracht …«
»Also, was möchten Sie?«, blaffte Grant.
»Sicherlich ist das offenkundig.«
»Nicht für mich.«
»Bringen Sie uns Tombs. Bringen Sie ihn zum Zaun im Ostquadranten. Wenn Sie das nicht tun, töten wir die Frau – es ist ganz einfach.«
»Wie zum Teufel glauben Sie, damit durchzukommen?«
»Zunächst liegt dieses Ding, das ihn in Greenport beschützt hat, in Einzelteilen vor dem Tagreb; zweitens hat die Kriegsdrohne Amistad den Planeten gerade verlassen; drittens wird die Polizei, sei es nun die von Zealos oder Greenport, nicht rechtzeitig eintreffen, selbst wenn sie sich beeilt, was sie aber nicht tun wird. Oh, nebenbei gesagt, haben wir auch Sensoren überall in der Umgebung verstreut, und wenn wir irgendwelche Drachenmenschen hier herauskommen sehen, ist der Deal geplatzt.«
»Selbst wenn Sie jetzt damit durchkommen«, wandte Grant ein, »wird man Sie später zur Strecke bringen.«
»Vielleicht, aber das geht Sie nichts an«, entgegnete Ripple-John. »Sie haben eine Stunde Zeit, um Tombs herzubringen; nach Ablauf dieser Stunde führe ich Jerval Sanders ins Freie und weide sie aus – ist das deutlich genug für Sie?«
Jem hatte bis jetzt nur mit halbem Ohr zugehört, aber als dieser Name fiel, galt seine Aufmerksamkeit vollständig dem Monitor.
»Ich kann das einfach nicht tun«, sagte Grant frustriert und wütend.
»Inzwischen weiß ich, dass Sie Sanders sehr lange kennen, Leif Grant. Denken Sie, dass Tombs ihr Leben wert ist?«
»Ich kann kein solches Werturteil fällen.«
Ripple-John zuckte die Achseln. »Vielleicht setze ich eine Lektion von Tombs persönlich um und schneide ihr zuerst das Gesicht ab.«
Es schien, als hätte sich rings um Jem alles geöffnet, wie ein Schlund, der ihn zu verschlingen drohte. Gewiss hatte er sich doch verhört?
»Ich muss sehen, dass sie noch lebt«, sagte Grant.
»Leicht zu machen«, sagte Ripple-John. Er streckte die Handaus und packte etwas, und die Kamera schwenkte im Kreis und dann abwärts. Man sah das Innere eines Geländewagens und jemanden, der schnell zur Seite auswich und den Blick auf eine Frau freigab, die am Boden lag, die Fußknöchel mit Klebeband gefesselt, die Handgelenke auf den Rücken gebunden. Der zuvor ausgewichen war, kam jetzt wieder ins Blickfeld, packte die Frau an den Haaren und riss den Kopf hoch, sodass sie in die Kamera blickte.
Der Weber löste sich ruckartig aus Jems Gedanken. Jem trat näher an den Bildschirm heran. Man hatte die Frau eindeutig geschlagen, und ebenso eindeutig handelte es sich bei ihr um Jerval Sanders.
»Sie haben eine Stunde.« Ripple-John trat wieder vor die Kamera. »Eine Stunde«, wiederholte er, und sein Bild ging aus.
Ich habe sie nicht umgebracht!, dachte Jem. Das in ihm mitschwingende Schuldbewusstsein stürzte zusammen wie ein städtischer Häuserblock, den man auf Schlamm errichtet hatte, aber das schien nicht von Freude begleitet, sondern lediglich leerer Verwirrung. Genau dieses Schuldbewusstsein, das auf einmal keinen Grund für die eigene Existenz mehr sah, ruderte jetzt verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Daseinsgrund.
Meinetwegen ist sie in dieser Verfassung; meinetwegen wird sie vielleicht ermordet.
Knapp und präzise, und doch schien ein gedanklicher Moloch dahinter aufzutauchen. Jem trat noch einen Schritt näher heran; er wusste genau, was zu tun war.
»Bringe mich dort hinaus, und wir nehmen den Austausch vor.«
Grant drehte sich zu ihm um. »Man hat mich angewiesen, dich zu beschützen – du bist wichtig, wichtig für diesen Planeten, für die Polis und vielleicht die ganze Menschheit.«
Jem schüttelte den Kopf. »Nein, du irrst dich. Was in meinem Kopf gespeichert wurde, das ist nur eine Aufzeichnung.« Erwusste, dass das eine Lüge war, aber er hatte jetzt die Kontrolle, hatte vollständig die Kontrolle.
»Trotzdem.«
»Bringe mich dort hinaus, oder ich gehe selbst.«
»Das kann ich dir nicht erlauben.«
»Ich bin ein freier Bürger der Polis, und es ist meine Entscheidung.« Jem drehte sich um und blickte Blau geradeheraus an, die sich bislang schweigend im Hintergrund hielt. »Er kann mich nicht aufhalten.«
Die Drachenfrau nickte nur knapp, aber Jem verstand all die Nuancen. Sie würde sich nicht einmischen, weil sie wusste, zu was sich Jem entwickelt hatte; das war jetzt eine Sache zwischen Grant und ihm. Als Jem sich zu Grant umdrehte, stand dieser gerade auf, die Scheibenpistole im Anschlag.
»Du würdest mich also umbringen, um zu
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