Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe

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hier.« Er stampfte mit dem Fuß auf den Keramalgitterrost. »Ich habe einige Schnatterenten gerufen, was die Kräfteverhältnisse änderte, aber ich wusste zunächst nicht, dass ich dazu fähig sein würde. Ich wusste jedoch eines: Der Techniker war in Reichweite, und er würde nicht zulassen, dass mich jemand umbringt. Und dann ist da noch dies hier.«
    Er bewegte sich unvermittelt und überbrückte die drei oder vier Meter Abstand so schnell, dass es schien, als hätte eine gottgleiche Macht die Bewegung aus der Realität gestrichen. Jetzt stand er direkt neben ihr, streckte die Hand aus und drückte ihr die Handfläche ans Gesicht. Das fühlte sich an wie heißes Metall.
    »Mir ist inzwischen so vieles klar.« Er lächelte jungenhaft, und endlich spürte sie, wie sich etwas in ihr rührte. Sie hob die eigeneHand, schloss sie um seine und drückte sie, ehe sie die eigene wieder herunternahm. Er nahm seine zurück. In dieser unmittelbaren Nähe bemerkte sie, dass seine Augen blutunterlaufen waren und sich ein Netz geplatzter Adern übers Gesicht zog. Waren die kürzlichen Druckwellen die Ursache dafür?
    »Erzähle mir, was dir klar geworden ist.«
    »Was der Techniker getan hat, alles, was er mit mir gemacht hat.« Er schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. »Bist du je auf die Idee gekommen, das volle Ausmaß der Schäden gründlich zu untersuchen?«
    »Natürlich bin ich das«, antwortete sie. »Ich habe sie behoben – die meisten jedenfalls.«
    »Er hat bestimmte Muskelgruppen herausgeschnitten, bestimmte Nervenbahnen, und du hast all das neu gezüchtet. Was du nicht wusstest, während du das aus meinem eigenen Körpergewebe neu gezüchtet und implantiert hast, war, dass du nicht dem ursprünglichen Bauplan gefolgt bist. Tief greifende Veränderungen waren eingetreten, vor allem, damit mein Körper die nötigen Fähigkeiten erhielt.« Er unterbrach sich und blickte kurz in die Ferne. »Erst jetzt ist mir klar geworden, dass ich gar nicht gestorben wäre, wenn Grant mich nicht aufgesammelt und du mich nicht geheilt hättest; ich frage mich jedoch, ob ich noch ein Mensch gewesen wäre.« Er schnipste mit den Fingern, und die nur zehn Meter entfernt hockende Schnatterente schwenkte den Kopf und sah Jem an. »Schnelligkeit und Kraft habe ich schließlich realisiert. Ripple-John hätte mich nicht umbringen können; die einzige Frage war, ob er mich überlebte.«
    »Also bist du jetzt Superman?«
    »Nein, nur ein geeigneteres Behältnis für das, was mein Schädel enthält, und ein besserer Mechanismus dafür, dessen Absichten umzusetzen.«
    »Ist noch irgendetwas von dem übrig, was du früher warst?«
    »Die gleiche Frage könnte ich dir stellen. Wie viel von der Jerval Sanders, die vor zehn Jahren lebte, findet man jetzt noch in dir?«
    »Ich denke, du weißt, was ich meine.«
    »Sämtliche Erinnerungen sind da, Jerval, und mehr. Ich bin Tombs, aber ich bin von der Welt verändert worden, wie es uns allen geschieht.« Er zuckte die Achseln. »Zugegeben war die Welt bei meiner Neukonstruktion etwas radikaler.«
    Die Schnatterente beugte sich vor, senkte die Klauen auf den Boden und tapste lässig herbei. Sanders wich zurück, bereit zu flüchten, egal, was man ihr erzählt hatte.
    »Du hast mir letztlich das eigene Gesicht zurückgegeben, obwohl ich es damals noch nicht erkannte«, sagte Tombs.
    »Und dann hast du es wieder heruntergeschnitten.«
    »Ja – Amistad und Penny Royal manipulierten mich, hatten jedoch keine Ahnung, dass sie keinen Einfluss auf den Ausgang hatten.«
    »Welcher ist das?«
    »Du hast mir das Gesicht zurückgegeben, die Nerven neu gezüchtet, die Muskeln, alles, hast dich aber nie tiefer vorgewagt als bis zur Dura Mater meines Gehirns.« Er hob die Hand ans Gesicht. Sanders sah, wie sich unter seinen Fingerspitzen, unter der Haut etwas schlängelte.
    »Ich hatte entsprechende Anweisungen«, sagte sie.
    »Ich wurde gescannt, tiefgehend gescannt?«
    »Ja.«
    »Was kam dabei heraus?«
    Sie starrte ihn an, stellte fest, dass sein Gesicht grau wirkte, fast metallisch, fleckig. Waren da Schatten? »Wir fanden Spuren eines chirurgischen Eingriffs, in deinem ganzen Gehirn Hinweise auf Verbindungen einer Art, wie sie ein Zerebralverstärker aufbaut.« Sanders wandte sich der Schnatterente zu, als diese in der Nähe anhielt und sich hinhockte. »Sogar verbliebene Fasern sowohl deines Dracocorp-Verstärkers als auch, wie wir glauben,vom Techniker persönlich. Ich wollte sie entfernen, aber mir