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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wurde gesagt, sie wären anscheinend nach wie vor mit dem Gehirn verknüpft und bildeten dort neue Bahnen.«
    »Das stimmt, aber hättest du sie entfernt, wären sie einfach nachgewachsen.« Er unterbrach sich, drehte sich um und starrte auf die Schnatterente. »Und sobald ich das abschließende Muster von einer Pfennigmuschelschale abgezeichnet hatte, das Alphabet der Atheter vollständig hatte, den Countdown abgeschlossen hatte, wuchsen sie auch erneut. Jetzt sind sie bereit.«
    Sein Gesicht schien in Bewegung, als er von ihr zurückwich und direkt zur Schnatterente hinüberging. Sie sah ein Rinnsal Blut aus dem Ohr fließen. Er zitterte, stöhnte und trat noch näher an die Kreatur heran, deren Schnabel nur einen Meter über seinem Kopf hing. Sie beugte sich vor, duckte sich, krümmte sich, drückte den Schnabel auf seine Brust, und ihre Augen waren nur noch Zentimeter von seinen entfernt. Sanders ging ein Stück weit zur Seite, um das besser sehen zu können, und Grauen und intellektuelle Neugier stritten in ihr um die Vorherrschaft.
    »Jetzt«, sagte Tombs.
    Ein weißer Wurm, dünn wie ein Schnürsenkel, entwuchs seiner Wange und wand sich zur Schnatterente hinüber. Die Spitze des Wurms tastete über den Schädel der Kreatur, entdeckte eine violette Narbe direkt über einem Auge, straffte sich, öffnete die Narbe zu einem unblutigen Schlitz und schlängelte sich mit der Spitze hinein. Ein weiterer Wurm brach aus Tombs’ Stirn hervor, wobei Blut aus der Stirnöffnung pulsierte, dann ein weiterer neben dem Mund. Tombs schrie, verkrampfte die Hände um die Klauen der Kreatur, aber es war nicht klar, ob er sich zu befreien oder dort festzuhalten versuchte. Noch weitere Würmer brachen aus seinem Gesicht hervor, und sein Geschrei hielt an, bis es schließlich von einem mächtigen Strang dieser Dinger gedämpft wurde, der sich aus der blutigen Verwüstung zum Schädel der Kreatur hin erstreckte. Tombs wand sich, nahm die Händeweg, aber jetzt schloss die Schnatterente ihre Klauen um seine Brust.
    Sanders sank auf die Knie. Jede Neugier war ihr vergangen, und nur Grauen blieb. Tombs wehrte sich jetzt und zog dabei den Strang straff. Die Würmer begannen zu reißen; Stücke fielen aus ihnen herab und fielen auf die Brust der Schnatterente. Manche lösten sich von Tombs’ Gesicht und hinterließen blutige Löcher; andere lösten sich vom Schädel der Schnatterente, und Köpfe, die an kleine Venusfliegenfallen erinnerten, schlenkerten matt. Dann traten Krämpfe auf. Die Schnatterente schleuderte Tombs von sich. Er prallte weit oben an eine Säule, fiel bleischwer zu Boden und blieb dort vollkommen reglos liegen.
    Sanders behielt weiter die Schnatterente im Blick – die sich jetzt wie ein Mensch, der sich den Schädel rasierte, die letzten Würmer mit einer Klaue herunterstrich –, während sie aufstand und zu Tombs hinüberging. Sie kniete neben ihm nieder und drehte ihn um, sodass sein Kopf auf ihrem Schoß zu liegen kam. Er sah aus, als hätte ihm jemand mit einer Schrotflinte ins Gesicht geschossen. Blut sickerte nach wie vor aus den Wunden an der Stirn, aber die weiter unten im Gesicht schienen sich geschlossen zu haben. Sanders zog vorsichtig zwei verbliebene Stücke Wurm heraus – die jetzt an Spaghetti erinnerten, leblos – und warf sie weg. Einen Augenblick später öffnete Tombs die Augen.
    »Auf den Rekord an Neukonstruktionen des Gesichts erpicht?«, fragte sie, erleichtert, dass er noch lebte.
    »Es ist jetzt mein Gesicht«, entgegnete er undurchsichtig.
    Sanders blickte zur Schnatterente auf, und diese erwiderte den Blick. Die Augen glänzten, und die Kreatur wirkte irgendwie straffer. Sie hob eine Klaue, musterte sie, während sie die Krallen beugte, und tat dann etwas, was einer Kreatur mit einem festen entenhaften Schnabel nicht hätte möglich sein dürfen. Die Schnatterente grinste.
    Nein, wurde sich Sanders klar, der Atheter grinste.
    »Wir greifen an«, sagten Janice und Cheops simultan. Es war weder eine Frage noch ein Befehl, sondern eine Feststellung.
    Sie hatten viel Zeit an diesem Abschnitt der Polisgrenze zugebracht, wo sie das Gefährlichste waren, dem zu begegnen jemand erwarten konnte, und wie weit ihr Auftrag gespannt war, das war im Unbestimmten geblieben, etwas, das zwar anerkannt wurde, aber unwahrscheinlich schien. Ihre Aufgabe war es, die Polis zu verteidigen, und hier war etwas, wogegen sie sie ganz gewiss verteidigen mussten. Gemeinsam stellten sie ein Kriegsschiff dar, und

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