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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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versuchte mit Absicht, sich zu beschädigen.
    »Was hast du erhalten?«, fragte Amistad, als Penny Royal nicht mehr zischend dahinrollte.
    »Eine Anweisung«, antwortete die schwarze KI.
    »Was für eine?«
    »Beschönigend ausgedrückt: zu verschwinden.«
    »Sie möchte also nicht reden.«
    »Ganz eindeutig nicht.«
Häretikerinsel
    »Seine Beine haben damals vor vierzehn Jahren im Triada-Lager nicht aufgehört zu arbeiten«, sagte Sanders. »Die Lage änderte sich erst an Bord des Truppentransporters, als wir ihn hierherbrachten, unmittelbar nachdem ich ihn gewaschen und ihm die Kleider gewechselt hatte.«
    »Diagnose?«, fragte die riesige Skorpiondrohne.
    Sanders blickte die große Maschine an. Sie musste sich erst noch an das unverblümte und manchmal herablassende Gebaren gewöhnen, denn sie war jetzt offenkundig ihr Boss. Sanders hatte ihre Befehle direkt von Earth Central erhalten, und obwohl sie Zweifel an ihnen hegen konnte, war das auch schon die Grenze des Möglichen. Jedenfalls sah es danach aus, als würde sich hier etwas ändern. Zunächst war ihr danach gewesen, aufsässig zu reagieren, bis ihr klar wurde, dass dieses Gefühl aus Selbstgefälligkeit resultierte, welches sich in ihr über die zurückliegenden anderthalb Jahrzehnte entwickelt hatte. Hier hatte sie ihre selbsterklärte Pflicht, für ihren Schützling zu sorgen, als Ausrede dafür benutzt, sich vor der Welt zu verbergen und sich langwierigen akademischen Studien zu widmen, welche der medizinischen Wissenschaft in der Polis, der Geschichte von Masada und der Biologie der Sorgeninselkette galten. Jetzt, da ihr das klar geworden war, wünschte sie sich ungeduldig eine Veränderung. Daher rührte ihr in jüngster Zeit radikales Streben nach innerem Wandel.
    »Ja, seine medizinischen Implantate haben es uns verraten, ebenso die Anzeigen der Prothese«, antwortete sie.
    Während sie den Strand entlangspazierten, schaltete Sanders das Schimmerfeld ihrer Polisatemmaske ab und atmete probeweise ein. Die Luft roch, wie sie es auch auf einem Strand der Erde täte, aber vor dem nanochirurgischen Eingriff, dem Sanders sich unterzogen hatte, hätte sie nach wenigen Atemzügenden Sauerstoffmangel gespürt. Nach dem dreiwöchigen Aufenthalt im Schlaftank unterschieden sich ihre Lungen, das Blut und die Muskelfasern deutlich von vorher, waren sie doch vom KI-Chirurgen auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt worden. Die Lungenbläschendichte war auf das Dreifache gestiegen, und die aus einem semiorganischen Film bestehenden zusätzlichen Lungenbläschen waren viel leistungsfähiger als die verbliebenen Originale – ein Film, der tatsächlich Kohlendioxid aufbrach. Der Gehalt an Hämoglobin im Blut war verdoppelt und wurde noch durch sauerstoffsammelnde Nanomaschinen ergänzt, die von den künstlichen Teilen ihrer Lungen aus agierten und auch überschüssigen Kohlenstoff einsammelten, damit er über die Nieren ausgeschieden werden konnte. Die Muskeln verbrannten Sauerstoff gründlicher als zuvor – denn viel von den Schlacken, die von parasitärer DNA erzeugt wurden, war entfernt worden.
    »Und diese Erzählung lautet wie?«, fragte die Drohne.
    Natürlich war diese Kreatur nicht auf Luft angewiesen, nur auf Wasser, das sie im internen Fusionsreaktor verarbeitete. Und da es eine auf Gefechtsstärke ausgelegte Drohne war, besaß sie vermutlich auch Methoden, um Energie aus jeder anderen verfügbaren Quelle zu gewinnen. Wahrscheinlich konnte sie Sauerstoff atmen; sie brauchte es nur nicht.
    »Er kann gehen – alles an ihm, was dazugehört, ist funktionsfähig –, aber er tut es einfach nicht.« Sanders blieb stehen und blickte zum Sanatorium hinauf, das am oberen Ende des vor ihnen liegenden Hanges stand. Die Theokratie hatte es als Verhörlager genutzt, und obwohl man die Insassen vor Sanders’ Eintreffen hier ins städtische Krankenhaus verlagert hatte, schauderte sie nach wie vor, wenn sie an Teile der Ausrüstung zurückdachte, die sie vorfand, als sie die Einrichtung zu einem Krankenhaus für schwer verletzte Überlebende der Bruderschaft machte. Natürlich waren diese inzwischen alle wieder fort, von ihren Leidengeheilt und Nutznießer der Polisinterventions-Amnestie geworden. Nur Jeremiah Tombs befand sich nach wie vor hier.
    »Tut es einfach nicht?«
    »Ich habe alles versucht«, berichtete sie. »Deshalb habe ich ihn auch in einen Rollstuhl gesetzt und kein Exoskelett – ich möchte, dass die eingebildete Behinderung lästiger für ihn

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