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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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man sie auf den Rücken von zwölf dieser Kreaturen findet.«
    »Er erinnert sich also daran.«
    »So scheint es.«
    Sanders drehte sich jetzt zu der Drohne um. »Nebenbei: Du sagst immer ›wir‹ – wer hier erforscht Jem sonst noch? Ich dachte, du würdest allein arbeiten. Ich dachte, du hättest entschieden, dass jede Verbindung mit örtlichen KIs deine Gedanken verfälschen könnte.«
    »Mein Mitarbeiter scheut sich ein wenig vor Gesellschaft und möchte vorläufig inkognito bleiben.«
    Sobald die letzte Linie gezeichnet war, umschrieb Jem die Zeichnung zufrieden mit dem perfekten Kreis einer Pfennigmuschelschale. Das Ding erhob sich daraufhin klar und deutlich in seinen Gedanken aus dem blutverspritzten Flötengras. Die eigene gehäutete Hand schloss sich um dieses Gras, und als er aufblickte, sah er die Skorpiondrohne – nein, die Kreatur richtete sich auf, und zwei Reihen gelber Augen zeichneten sich an ihrer Unterseite ab. Dann nichts mehr.
Triada-Lager (Solstan 2457 – heute)
    Leif Grant trat an die luftdichte Tür heran. Sie bildete den Ausgang von etwas, das einst eine Schlafbaracke für Teicharbeiter und dann ein Krankenhaus gewesen war. Inzwischen hatte man sie in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt, und der KI-Gouverneur von Masada hatte es zum planetaren Denkmal erklärt. Grant dachte an ein lange zurückliegendes Gespräch in diesem Gebäude und erkannte, dass Sanders sein Motiv, Tombs’ Leben zu retten, richtig eingeschätzt hatte, aber nur teilweise richtig. Als die riesige außerirdische Kreatur Drache – die erdamals unter dem Namen Behemoth kannte – eintraf, die Laserstellungen vernichtete und schließlich auf dem Planeten abstürzte, um dort ihre eigentümliche und besorgniserregende Wiedergeburt ins Werk zu setzen, nutzten die Rebellen von Masada die Gelegenheit, um ihre Höhlen zu verlassen und die planetare Oberfläche zu besetzen. Sie wussten, dass sie sie nicht lange würden halten können, denn die Rebellion diente generell nur dem Zweck, eine Intervention der Polis zu provozieren. Und zwangsläufig reagierte Diakon Aberil Dorth mit der raschen Entsendung von Truppen aus der Zylinderwelt Hoffnung, um die Rebellen anzugreifen. Beide Seiten gewährten keine Gnade. Die Rebellen und die Menschen aus der Unterschicht, die von ihnen befreit worden waren, gingen besonders grausam gegen Leute wie den Proktor vor, der einst als Patient in dieser Baracke gelegen hatte, damals, als sie kurz als Krankenhaus diente. Die Religionspolizei war schließlich Urheber all der Prügel, der Folter und der erzwungenen Anbetung gewesen, die diese Menschen hatten ertragen müssen.
    Sobald er ins Freie trat, schloss die Polisatemmaske automatisch ein Schimmerfeld über seinem Gesicht und versorgte ihn mit atembarer Luft; nach wie vor misstraute er einer Adaptation an die Atmosphäre des eigenen Planeten. Er schritt über einen penibel geschnittenen Rasen aus blauem Gras. Dieser Rasen hatte noch nicht existiert, als er zuletzt hier gewesen war, und der vor ihm komplett wiederhergestellte Zaun lag damals noch am Boden, in die Erde gequetscht von den Panzern der eigenen Seite. Es war gerade Abend, und der Mond Amok fiel vor dem Hintergrund eines Sternennebels, der an einen verknäuelten Glastintenfisch erinnerte, über den auberginefarbenen Himmel hinweg. Das Licht beider Himmelserscheinungen spiegelte sich im Schachbrettmuster der Teiche, die sich hinter dem Zaun ausbreiteten, jener Teiche, in denen die Unterschicht der Theokratie einst die tödlichen Squerme züchtete, deren Protein damalsdie einzige außerplanetarische Einnahmequelle darstellte. Sogar heute noch lebten Squerme in den Teichen, aber inzwischen kümmerten sich gepanzerte schwimmende Roboter um sie, die an meterlange, grün verchromte Wasserkäfer erinnerten.
    Grant ging auf das Tor zu, öffnete es und ging auf den Wegen weiter, die sich zwischen den Teichen entlangzogen. Als er an jenen früheren Besuch zurückdachte, blickte er zu einem Teich hinüber, der von geschlängelter Bewegung wie Messing glitzerte. Der Kampfpanzer war inzwischen entfernt worden. Damals hatte das ausgebrannte Fahrzeug noch Rauchwolken ausgestoßen, was bedeutete, dass die Glut noch aus einem Sauerstoffleck Nahrung erhalten haben musste. Weitere Überreste sowohl menschlichen wie mechanischen Ursprungs hatten hier und dort verstreut gelegen, eine Leiche darunter – ein Soldat der Theokratie, einen grauen Verstärker an der noch vorhandenen

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