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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Bolzen und der Überlegung, wie er sie lösen konnte, wurde sich Chanter darüber klar, dass diese Steinplatte das war, was man aus der Haupthöhle ausgeschnitten hatte. Unglaublich. Mitten im Kampf ums Überleben und darum, denAufstand gegen das bösartige Regime hier in Gang zu bringen, hatten sie den Wert dieses Objekts erkannt und es zu bewahren versucht. Hier stand eine weitere Skulptur des Technikers vor ihm.
    Chanter trat näher heran und fasste sie genauer ins Auge. Sie war eindeutig alt und sah äußerst zerbrechlich aus. Er konnte die Stellen erkennen, wo früher Sehnen die Einzelteile zusammengehalten hatten, während inzwischen korrodierter Kupferdraht diese Aufgabe erfüllte. Die Form selbst wirkte unausgereift, primitiv; das Produkt des jungen Künstlers in all seiner linkischen Brillanz, aber noch nicht ganz ausgereift. Das Gebein war zu kalkigem Weiß verwittert, und an manchen Stellen schienen Stücke zu fehlen; einige waren heruntergefallen und lagen um die Plastik verstreut. Das war jedoch wirklich eine Entdeckung, und Chanter fragte sich, welche Wahrheit er nach Draches Meinung hier finden sollte.
    Er musste dieses Ding zu seinem Erd-Uboot bringen; er musste der Sache wirklich weiter auf den Grund gehen. Wie alt war es? Nach seiner Berechnung war der Techniker in seiner derzeitigen Größe nicht mehr fähig, die Haupthöhle da draußen zu betreten, geschweige denn seine Plastik in diesem schmalen Raum nahe dem Ende der Höhle anzufertigen. Nicht mal der tote junge Kapuzler dort draußen hätte sich hier hereinquetschen können. Der Künstler musste sein Werk geschaffen haben, als er noch ein Wurm war und die meiste Zeit damit zubrachte, kleine Schlammschlangen auszugraben oder junge Äser von unten aus dem Hinterhalt anzugreifen. Nach dem, was Chanter über die Lebenserwartung von Kapuzlern wusste, war das hier also bis zu einem Jahrhundert alt.
    Chanter bückte sich und betastete einen der Bolzen, aber sie waren festgerostet, und er hatte nicht daran gedacht, Schneidwerkzeug mitzubringen. Als Nächstes sah er sich den Stahldeckel forschend an und stellte einen Augenblick später fest, dasser nur vom eigenen Gewicht an Ort und Stelle gehalten wurde und keine luftdichte Sicherung enthielt, wie er zunächst vermutet hatte. Er hob die Kante an und ließ sie wieder sinken – eins nach dem anderen.
    Im Verlauf der nächsten Stunde fertigte er Holografien aller Ecken und Winkel dieser Höhle und jedes Details der Plastik an. Er ging in die Haupthöhle hinaus und verstaute seine gesamte Ausrüstung, abgesehen von einer Probenflasche und einer Pinzette, ehe er in die kleine Höhle zurückkehrte, den Deckel vom Zylinder hob und hineinlangte, um einige der Knochensplitter von unterhalb der Plastik aufzuheben und sorgfältig in der Flasche zu verstauen. Er konnte nicht die ganze Plastik mitnehmen – sie wirkte viel zu empfindlich –, aber er konnte diesen Ort nicht verlassen, ohne etwas mitzunehmen, irgendeine Trophäe.
    Draußen in der Haupthöhle hob er den Rucksack auf und trat in den hellen Tag hinaus. Ungeachtet der Risiken und der anstrengenden Reise wollte er mit Mick hierher zurückkehren und seinen Fund holen. Die Plastik war wichtig, sehr wichtig, auch wenn er den Grund dafür erst noch herausfinden musste. Mit frischer Kraft stapfte er zurück zu seinem Erd-Uboot und legte keine Pause zum Essen oder Schlafen ein. Als er sich endlich dem Kraterrand näherte, fragte er sich, ob es an der Erschöpfung lag, dass die Dinge dazu übergingen, sehr seltsam zu werden.
    Ein gelblicher Dunst schien unten im Krater zu hängen, in dem seltsame organische Gestalten wie die Geister all der Kreaturen zu wirbeln schienen, die der Techniker getötet hatte. Ein merkwürdiger Geschmack erfüllte Chanters Mund, und er erschnupperte etwas Nussiges und Süßes in der Luft, als beträte er eine Konditorei. Als er Anstalten traf hinabzusteigen, bemerkte er vier Gestalten am Kraterrand, ein Stück weit von ihm entfernt. Es waren humanoide Gestalten, die sich jedoch auf eine seltsam vogelhafte Art fortbewegten. Sie stürmten jetzt auf ihnzu, und Entsetzen erfüllte ihn. Drachenmänner – Drache hatte ihn hierhergelockt, um zu Ende zu bringen, was ihm unter der Erde nicht gelungen war.
    Chanter rannte verbissen los, entschlossen, sein Erd-Uboot zu erreichen, ehe die Drachenmänner ihn erreichten, aber etwas schwirrte durch die Luft und wickelte sich ihm um die Beine. Er schlug der Länge nach hin, mit dem Kopf

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