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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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kraterabwärts, und sah gelbe Geister von unten ihm entgegenkriechen, eine Siluroyne, die ihre Diamantkiefer aufriss, und ein Pilzäser, der kam, um ihm das Gehirn auszusaugen. Ein Blick auf die eigenen Beine zeigte Chanter, dass eine Bola um sie gewickelt war. Ihre Schnüre erinnerten an miteinander verknüpfte Schlangen und die Gewichte an schuppige Granatäpfel. Das Ding schlängelte sich und machte es sich bequem, band ihm die Beine dabei umso fester zusammen. Es musste ihm auch eine Art Gift injiziert haben, denn das Atmen fiel ihm schwer, aber er versuchte trotzdem, weiter hinabzukriechen. Dann fiel ein Schatten auf ihn.
    Einer der Drachenmänner ragte über ihm auf. Hier stand eines dieser Dinger, denen Chanter zugesehen hatte, wie sie unter der Erde aus der Substanz Draches entstanden: humanoid, aber mit Beinen, deren Kniegelenke in die andere Richtung wiesen, deren krötenähnliche Köpfe auf einem langen Hals vorstanden und die am größten Teil des Körpers bedeckt waren von grünen Schuppen und roter Haut, welche aber an der Vorderseite ins Gelb spielte wie bei einer Eidechse. Diese Kreatur hier hielt ein Gewehr umklammert, das an einen antiken Vorderlader erinnerte, aber auch lebendig wirkte.
    »Adaptierter Mensch«, zischte das Wesen.
    »Kaum essbar«, kommentierte ein weiterer Drachenmann, der jetzt in Chanters Blickfeld kam. »Ist er tot?«
    »Nein, noch nicht.«
    Der erste Drachenmann hockte sich neben Chanter und tippte auf die Bola, die Chanters Beine sofort freigab und sich um denArm der Kreatur wickelte. Dann entfloh Chanters Bewusstsein an einen heißen gelben Ort, erfüllt von den brennenden Plastiken des Technikers.
    Chanter öffnete die Augen und starrte zum Nachthimmel hinauf: das vertraute blendende Licht Kalypses irgendwo rechts von ihm und das Rascheln des Flötengrases im Hintergrund, das mal hörbar und mal unhörbar war, während Chanter den Blick nach links auf das absolute Grauen wandte.
    Die unteren Stacheln des Dings links neben ihm bohrten sich in die Wurzelstockmatte, und die übrigen Stacheln breiteten sich sternförmig ringsherum aus. Ein Tentakel mit zwei lidgeschützten Stielaugen an der Spitze ragte über ihm auf, während sich weitere Tentakel hier und dort schlängelten; einer stapelte einzelne Rhizome auf, ein weiterer baute Würfel aus ordentlich abgeschnittenen Flötengrashalmen, während sich ein Tentakel in Chanters Brust hineinschlängelte, die offen stand wie im Schaukasten eines Metzgers, und die kleineren Tentakel, in die sich der große aufspaltete, darin herumwimmelten wie Maden. Chanter versuchte sich zu befreien, aber er wusste, dass er tot war: die Agonie würde jetzt jeden Augenblick bemerkbar werden.
    »Halte still, Mensch«, sagte eine Stimme. »Penny Royal versucht dir das Leben zu retten – seine erste Erfahrung darin, jemanden wieder zusammenzusetzen statt ihn zu zerlegen. Oder eher: seine erste Erfahrung darin, jemanden korrekt wieder zusammenzusetzen.«
    »Was?«, fragte er, erstaunt darüber, dass er reden konnte, wo er doch sah, dass seine Lungen anscheinend fehlten.
    »Das Gas tritt alle fünfeinhalb Stunden aus«, sagte die Stimme in jetzt größerer Nähe. »Das war eines dieser zufälligen und sehr seltenen Ereignisse, die die Atheter in ihrem sehr gründlichen Nihilismus nicht berücksichtigt hatten.«
    »Gas?«
    »Blausäure«, erklärte die Stimme. »Sie trat nicht in solcher Menge auf, als sich die Atheter selbst auslöschten, entsteht aber heute als Verwesungsprodukt aus großen Trikonussen. Wenn sie sterben, bilden sie letztlich die Kalkschicht, aber beim Sterben dringen die Körperflüssigkeiten in schmale Schlammröhren unter den Bergen ein und fließen dort in die Deckschicht des alten Vulkans, wo sie dann in cyanidhaltigen Sandstein und einige metallische Überreste der Atheterzivilisation hinaufkochen, die übersehen wurden. Das Resultat ist Gas, das durch den Vulkanschlot emporbrodelt, durch den du hierhergelangt bist. Es würde einen normalen Menschen innerhalb einer Minute umbringen, wirkt sich aber auf jemanden mit deiner Adaptation wie ein Halluzinogen aus und braucht länger, um zum Tode zu führen. Es kann Kapuzler umbringen, weshalb sie die Gegend meiden und dieser Kadaver einer Schnatterente dort unten intakt bleibt. Tatsächlich hat dieses Gas auch den jungen Kapuzler umgebracht, den du in der Höhle gefunden hast – er muss eine kleine Dosis abbekommen und es geschafft haben, noch ein Stück weit zu kommen, ehe er

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